Politik

Verfassungsschutz in Erklärungsnot Handy von V-Mann "Corelli" aufgetaucht

Das Handy wurde schon 2015 gefunden. Dem Ausschuss wurde dies aber erst kurz vor der Sitzung am 11. Mai 2016 mitgeteilt.

Das Handy wurde schon 2015 gefunden. Dem Ausschuss wurde dies aber erst kurz vor der Sitzung am 11. Mai 2016 mitgeteilt.

(Foto: imago/Christian Ditsch)

Der V-Mann "Corelli" liefert fast 20 Jahre lang Berichte über die rechtsradikale Szene. Bis heute ist nicht klar, wie tief er involviert war und ob er auch Kontakt zu den NSU-Terroristen hatte. Jetzt taucht ein Handy auf - und dem Verfassungsschutz fehlen die Worte.

Einen "Offenbarungseid" hat der SPD-Bundestagabgeordnete Burkhard Lischka den überraschenden Fund eines Mobiltelefons im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum NSU-Terror genannt. Das Handy gehörte dem 2014 gestorbenen V-Mann "Corelli". Der Mann war eine Instanz. Fast 20 Jahre lang lieferte er dem Verfassungsschutz Berichte über die rechtsradikale Szene in Deutschland. Bis heute ist nicht erwiesen, ob er auch Kontakt zu den Mitgliedern des NSU hatte.  

Obgleich das Telefon bereits im Sommer letzten Jahres in einem Schrank beim Verfassungsschutz "entdeckt" wurde, informierte die Behörde den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages erst jetzt darüber. Dessen Vorsitzender Clemens Binninger nannte die Umstände des Fundes "sicher kritikwürdig".

Das Handy solle aus den späten Monaten des Jahres 2012 stammen. "Corelli" selbst soll es seinem V-Mann-Führer übergeben haben. Wie es dann in den Panzerschrank der Behörde kam, wer es in eine Plastiktüte verstaute und dem Hinweis "Privat" vermerkte, ist unklar. Unklar ist auch, weshalb in den Folgejahren niemand beim Verfassungsschutz die Brisanz des Telefons erkannt haben will. Auch, weshalb es bei vier Sichtungen des Schrankinhalts nicht auffiel – wohl aber bei der fünften, im Sommer 2015.

"Die nehmen uns nicht ernst"

Bei der Auswertung des Telefons im Herbst des Jahres sollen Spezialisten viele wichtige Fotos gefunden haben: ein Fotoalbum der Neonazi-Szene, wie es jetzt vom Verfassungsschutz heißt. Erst im April 2016 soll die Leitung der Behörde über den Fund informiert worden sein. Noch im selben Monat tagte das Kontrollgremium des Bundestages, informiert wurde es nicht.

"Die nehmen uns nicht ernst", sagte jetzt Lischka. Das BfV, das offenbar "aus der Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie beim NSU immer noch nichts gelernt". Welche Daten tatsächlich auf dem Handy gespeichert sind, prüft derzeit das Bundeskriminalamt. Es sollen sich über 200 Datensätze mit Kontakten in die Naziszene in ganz Europa auf dem Handy befinden.

"Corellis" Tod hinterlässt Fragezeichen

"Corelli" gilt als Schlüsselfigur im NSU-Skandal. Seine Informationen könnten Aufschluss darüber geben, ob und wie tief der Verfassungsschutz in die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppe verwickelt war. Als er vor zwei Jahren starb, gab es viele Spekulationen um seinen Tod. Offiziell starb der 39-Jährige überraschend an einer nicht entdeckten Diabeteserkrankung.

Noch völlig unklar ist, warum "Corelli" so schwer krank sein konnte, ohne dass dies bekannt war. Schließlich hatte er nach seiner Enttarnung 2012 im Zeugenschutzprogramm gelebt. Eigentlich hätte man alles über den Mann wissen müssen, der mit dem Terroristen Uwe Mundlos bei der Bundeswehr war, der sogar in Diensten des Klu-Klux-Klan stand und der - nach allem was man heute weiß - Kontakt zu dem Vorgesetzten der Polizistin Michèle Kiesewetter hatte, die im April 2007 in Heilbronn mit einem gezielten Kopfschuss von den Mitgliedern des NSU ermordet worden war.

Quelle: ntv.de, ppo

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