Der Euro ist eh nicht mehr zu retten Hans-Olaf Henkel sucht sich neue Gegner
17.07.2013, 18:10 Uhr
Hans-Olaf Henkel stellte sein Buch "Die Euro-Lügner" vor.
(Foto: dpa)
Einer der prominentesten deutschen Euro-Kritiker hat ein Buch geschrieben. Eine neue Idee zur Rettung des Wohlstandes präsentiert Ex-BDI-Präsident Henkel darin nicht. Stattdessen rechnet er ab: mit der Politik, den Medien, den Deutschen und der "politischen Korrektheit". Er schmückt sich dabei mit einem zweifelhaften Mitstreiter.
Thilo Sarrazin sitzt wie versteinert ganz hinten an der Wand und hört zu, wie Hans-Olaf Henkel vorn fordert, Deutschland solle mit einigen andern Staaten aus dem Euro austreten und eine neue Währungsunion gründen. Sarrazin war einst Vorstandsmitglied der Bundesbank, wurde aber vor allem durch seine umstrittenen Äußerungen über "Kopftuchmädchen" und Bevölkerungsschichten, die "nicht ökonomisch gebraucht werden" bekannt. Henkel, der ehemalige BDI-Präsident und damit mächtiger Wirtschaftsvertreter, sagt vorn Dinge wie: "Dieses Buch soll einen Beitrag dazu leisten, die Wahrheit auf den Tisch zu legen."
Henkel glaubt längst nicht mehr daran, dass sein Vorschlag - der jetzt auch schon zweieinhalb Jahre alt ist - umgesetzt wird. Henkels neues Buch ist darum in erster Linie kein Beitrag zur politischen Debatte. Bei dem Titel "Die Euro-Lügner" war das auch kaum zu erwarten. Bei der Vorstellung des Werks rechnet er stattdessen ab: mit der Politik ("Ich bin erbost, ich bin enttäuscht"), mit den Medien ("Wenn das Buch raus ist, muss ich in Großbritannien um politisches Asyl bitten"), mit der Bevölkerung ("Das deutsche Volk ist schizophren"). Medien und Politik hätten sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die für den Euro, aber gegen seine Rettung sei.
Die Wahrheit spielt laut Henkel in den Debatten um den Euro kaum noch eine Rolle. Seiner Meinung nach ist die Wahrheit: Eine Spaltung der Währungsunion wäre für Deutschland billiger als immer weitere Rettungsaktionen. Wenn es nach Henkel geht, führt Deutschland zusammen mit den Niederlanden, Finnland, Dänemark und Österreich so bald wie möglich einen "Nord-Euro" ein, der Rest der Eurozone verbleibt im "Süd-Euro" – und könnte dann nach Belieben diese Währung abwerten, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.
"Fantasten oder Lügner"
Es ist gut möglich, dass Henkel mit seinen Grundthesen recht hat: Der Euro enthält fatale Konstruktionsfehler, die ihn scheitern lassen mussten. Je früher man ihn aufgegeben hätte, desto billiger wäre es geworden. Und vielleicht stimmt sogar, dass ein Ausstieg jetzt immer noch weniger Schaden anrichten würde als die weitere Rettung. Wer will das schon genau vorhersagen können?
Um seiner These mehr Gewicht zu geben, erzählt Henkel von einem Video, das sein Elternhaus zeigt, wie es im Krieg von einer Bombe getroffen wird und niederbrennt. Am nächsten Tag, auch das zeigt das Video, ist von dem Haus nur noch eine Ruine übrig. Das Haus daneben bleibt unversehrt. "Weil es eine Brandmauer gab", sagt Henkel. Und die fehle nun in der Eurozone. Die Probleme der Staaten könnten nun aufeinander übergreifen. Grund dafür sei die Aufgabe der "No-Bailout"-Klausel, die es Euro-Staaten eigentlich verbot, für die Schulden eines anderen Staates einzustehen. Was Henkel nicht sagt: Die Ansteckungsgefahren in der Euro-Zone haben vor allem mit den Banken zu tun, die eng miteinander verknüpft sind und gleichzeitig auf viel zu wackeligen Fundamenten stehen.
Doch mit seinem Buch und seinem Auftritt vor der Presse kämpft Henkel nicht mehr für den "Nord-Euro", sondern gegen seine Gegner. Mehrmals sagt er, dass die Politiker "Fantasten oder Lügner" seien. Statt der unbequemen Wahrheiten würden bequeme Unwahrheiten aufgetischt. Entweder, weil die Politiker selbst sie glauben oder weil sie das Volk bewusst belügen.
"Zwang zur politischen Korrektheit"
Aber wen meint er eigentlich? Als er sich an "den Medien" abarbeitet, erwähnt er lediglich den Chefredakteur und den Berlin-Korrespondenten der "Bild". Es sei gelogen, dass der Euro ein "Friedensprojekt" sei. Wer das behauptet haben soll, sagt Henkel nicht. Überhaupt nennt er von den "Euro-Lügnern" gerade einmal einen. Nur Jean-Claude Juncker, lange Zeit Chef der Eurogruppe, taucht mit seinem Namen auf. Bei den anderen Politikern solle der Leser selbst entscheiden, ob er sie für "Fantasten oder Lügner" hält. Zu einer sachlichen Debatte dürfte das wohl kaum beitragen.
Henkel, einst ein geachteter Wirtschaftsvertreter, wirkt gekränkt und beleidigt. Er fühlt sich verfolgt von Medien und Politikern, die seine "wahre" Einschätzung nicht hören wollen. Wer in Deutschland diskutieren wolle, werde "fertiggemacht". Die eurokritische Partei AfD werde "in die rechte Ecke gedrückt". In seinem Buch schreibt er von einem "medialen Zwang zur politischen Korrektheit", dem sich heute alle Deutschen beugen müssten, wenn sie nicht marginalisiert werden wollten.
Und da kommt Thilo Sarrazin ins Spiel. Am Rande der Veranstaltung sagt er, er schätze Henkel und sei von diesem eingeladen worden. Allein seine Anwesenheit wirkt wie ein trotziges "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen". Zur Erinnerung: Sarrazin spricht in seinem Buch von einer "funktionslosen Unterschicht" und schlägt vor, dass Frauen pro Kind 50.000 Euro erhalten, wenn ihre "Fruchtbarkeit zur Verbesserung der sozioökonomischen Qualität der Geburtenstruktur besonders erwünscht ist." Der UN-Ausschuss für die Beseitigung von Rassendiskriminierung stellte zu einer anderen Äußerung Sarrazins fest, er habe eine "Ideologie rassischer Überlegenheit" verbreitet und zu "rassistischer Diskriminierung angestiftet". Henkel sagt, er habe in Sarrazins Buch "nicht eine Aussage" gefunden, die man hätte kritisieren können. Sarrazin sei zu Unrecht von den Medien geschmäht worden. "So ähnlich ging es mir auch", sagt Henkel.
Quelle: ntv.de