Politik

Afghanistan-Einsatz Hat die Bundeswehr eine Todesliste geführt?

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(Foto: dpa)

Bei ihrem Einsatz in Afghanistan hat die Nato eine Liste mit Zielpersonen geführt. Die meisten davon waren zur Tötung ausgeschrieben. Auch die Bundeswehr war an der Liste beteiligt. Offen ist, ob es um Tötung oder um Festnahmen ging.

Die Haltung der Bundesregierung ist eindeutig: "Die Bundesregierung lehnt extralegale, völkerrechtswidrige Tötungen kategorisch ab", sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 2. Juli 2014 im Deutschen Bundestag.

Es könnte allerdings sein, dass die Sache doch nicht ganz so eindeutig ist. Laut "Bild"-Zeitung waren Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst in Afghanistan an der Planung von extralegalen Tötungen beteiligt. Dem Blatt zufolge gab es im deutschen Hauptquartier in Masar-i-Sharif eine "Target Support Cell", deren Aufgabe gewesen sei, "Informationen für die Nominierung möglicher Personenziele zu sammeln".

Platziert wurden diese "Personenziele" auf der "Joint Prioritized Effort List" (JPEL) der Nato-geführten Afghanistan-Truppe Isaf. In seiner aktuellen Ausgabe berichtet auch der "Spiegel" über diese Liste. Demnach standen zeitweise 750 Personen darauf - Taliban-Führer, aber auch Drogenhändler. Die meisten von ihnen waren zur Tötung ausgeschrieben, einige nur zur Beobachtung oder Festnahme.

Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter bestätigt, dass die Nato in Afghanistan die JPEL-Liste verwendet habe. Im Gespräch mit n-tv.de betonte er allerdings: "Die Bundesrepublik Deutschland hat sich nicht an gezielten Tötungen beteiligt." Die deutsche Seite habe nur dann Daten an die JPEL-Liste gegeben, "wenn es um die Festsetzung und Festnahme von Zielpersonen ging". Anschließend seien diese Personen den afghanischen Behörden übergeben worden.

Zu einer ganz anderen Einschätzung kommt der Linken-Politiker Jan Korte. "Jede Woche schier unglaubliche neue Dinge, die ans Tageslicht kommen. Ich frage mich, wie lange diese Bunderegierung eigentlich noch alles unter den Teppich kehren will", sagte er n-tv.de.

"Festgenommen oder neutralisiert"

Die "Bild"-Zeitung zitiert aus dem Protokoll einer Besprechung vom Mai 2011, bei der über "Nominierungen" für die JPEL-Unterlagen gesprochen worden sei. Dabei sei über eine Reihe von Taliban-Anführern gesagt worden, sie seien "ideale Kandidaten für eine Nominierung auf der JPEL". Zugleich wurde einschränkend angemerkt: "Allerdings geht es in ihrem Fall um so viel Drogen, Waffen, Macht, Einfluss und Geld, dass ihre Beseitigung ein Machtvakuum hinterlassen würde." Der deutsche Generalmajor Markus Kneip, der zu diesem Zeitpunkt Kommandeur in Afghanistan war, sagte bei dieser Besprechung, ein Aufständischer namens Qari Hafiz müsse "festgenommen oder neutralisiert" werden. Kneip ist heute Chef der Abteilung Strategie und Einsatz im Verteidigungsministerium und damit einer engsten Berater von der Leyens.

Neben der Mitarbeit der Bundeswehr an der JPEL-Liste ist Deutschland möglicherweise auch über den Bundesnachrichtendienst an gezielten Tötungen beteiligt. Seit Jahren, so der "Spiegel", geben deutsche Behörden die Mobilfunknummern von deutschen Islamisten in Afghanistan an die USA weiter. Um sich gegen den Vorwurf zu schützen, an völkerrechtswidrigen Tötungen beteiligt zu sein, behauptet der BND einfach, allein mit den Nummern könne kein Telefon angepeilt werden. Dieses Thema wird derzeit im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags geprüft, ein Ergebnis gibt es noch nicht. Kiesewetter, der für die Unionsfraktion Obmann im Ausschuss ist, sagte, er sei "sehr zuversichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Gesetze gehandelt hat".

Dagegen fordert der Linken-Abgeordnete Korte "einen umfangreichen und detaillierten Bericht darüber, in wieweit und wie lange die Bundeswehr, die Geheimdienste und die Sicherheitsbehörden in all diese Vorgänge und Verstrickungen, die in den letzten Monaten und Jahren öffentlich geworden sind, involviert waren". Bis zur völligen Aufklärung dieser Angelegenheit sei die Kooperation selbstverständlich einzustellen. "Für die Bundesregierung heißt es jetzt: Karten auf den Tisch."

Quelle: ntv.de

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