Erste TV-Debatte der Demokraten Hillary Clinton muss von vorne beginnen
12.10.2015, 12:35 Uhr
Die Amerikaner kennen Hillary Clinton. Aber wollen sie sie auch wählen?
(Foto: AP)
Noch vor Monaten galt Hillary Clinton als unschlagbar. Jetzt sitzen ihr zwei Konkurrenten im Nacken. Der eine ist Sozialist, der andere hat seine Kandidatur noch nicht einmal erklärt. Bei der Debatte am Dienstag muss sie ein neues Feuer der Begeisterung entfachen.
Hillary Clinton ist die berühmteste Frau in der US-amerikanischen Politiklandschaft, sie wird von den mächtigsten Vertretern der Demokratischen Partei unterstützt und sie weiß die Unterstützung der reichsten Spender hinter sich. Warum also stürzt sie vor der ersten Präsidentschaftsdebatte ihrer Partei in den Umfragen so dramatisch ab?
"Anfang dieses Jahres war Hillary die am meisten bewunderte Person des öffentlichen Lebens", sagte zuletzt ihr Ehemann, der ehemalige Präsident Bill Clinton. "Was ist also geschehen? Na, der Präsidentschaftswahlkampf ist geschehen." Und wie er geschehen ist.
Wie ihr Ehemann stolz herausstellte, ergab die jährliche Gallup-Umfrage, dass Hillary Clinton die am meisten bewunderte Frau der USA ist. Seit zwei Jahrzehnten landet sie in dieser Umfrage nahezu jedes Jahr auf dem ersten Rang.
Diese dauerhafte Hochachtung schwindet derzeit jedoch oder ist gar gänzlich irrelevant. Eine Umfrage der Zeitung "USA Today" und der Universität Suffolk in Boston ergab, dass im Juli noch 59 Prozent der potenziellen Wähler der Demokratischen Partei hinter Hillary Clinton standen. In diesem Monat kommt sie nur noch auf einen Wert von 41 Prozent.
Zwei Männer stehlen Clinton die Show
Das Mitglied der Demokraten, das die größten Menschenmassen anzieht, ist nicht Clinton, sondern ein Senator aus Vermont: Bernie Sanders, ein Sozialist, der jahrzehntelang nur eine Randerscheinung des öffentlichen Lebens in Amerika war. Die spannendste Personalie der Demokraten indes ist US-Vizepräsident Joe Biden, der sich noch immer nicht für oder gegen eine Kandidatur entschieden hat. Bidens Mitarbeiter haben zu verstehen gegeben, dass der Vizepräsident bei der anstehenden Debatte nicht vor Ort sein werde. Für jene Bewerber jedoch, die die Möglichkeit sich zu messen wahrnehmen, ist die Debatte eine bisher noch nicht da gewesene Möglichkeit.

Bernie Sanders hält seine Reden vor deutlich mehr Menschen als Hillary Clinton. Seine Umfragewerte steigen.
(Foto: AP)
Ein Millionenpublikum wird die Präsidentschaftsdebatte am Dienstagabend US-amerikanischer Hauptsendezeit verfolgen. Weder Sanders noch der ehemalige Gouverneur von Maryland, Martin O’Malley, oder der ehemalige Senator Jim Webb und auch nicht der frühere Gouverneur von Rhode Island, Lincoln Chaffee, haben jemals vor mehr Menschen gesprochen.
Die Debatte stellt auch eine große Möglichkeit für Clinton dar, um Enthusiasmus zu erzeugen und die Tonart zu verändern, in der über ihre Kandidatur gesprochen wird. Schließlich wurden die Schlagzeilen in den letzten Monaten in erster Linie von einer komplizierten Kontroverse über ihre Emails dominiert. Anders als praktisch jeder Mitarbeiter der Regierung der Vereinigten Staaten nutzte Clinton nämlich während ihrer vierjährigen Amtszeit als Außenministerin im ersten Kabinett von Präsident Barack Obama ihre persönlichen Email-Adressen, die auf einem privaten Computerserver zusammenliefen.
"Jeder dachte, Clinton sei unschlagbar"
Nachdem republikanische Politiker zur Offenlegung ihrer offiziellen Korrespondenz gedrängt hatten, stellten Clintons Anwälte der Regierung 55.000 Seiten an Emails zur Verfügung, die daraufhin schrittweise geprüft und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Ob Clinton dies nun damals wusste oder nicht, doch einige wenige dieser Nachrichten enthielten Informationen, die mittlerweile als geheim eingestuft sind. Solche auf einem privaten Server abzulegen - ohne Absicherung durch hochentwickelte Verschlüsselungstechnologien - könnte eine Verletzung der Sicherheitsvorschriften gewesen sein.
Clinton entschuldigte sich zwar nach einiger Zeit. Allerdings wirft sie den Republikanern auch vor, aus ihren Emails ein Wahlkampfthema gemacht zu haben. Und mindestens ein mächtiger Republikaner pflichtete ihr in diesem Punkt sogar bei.
"Jeder dachte, Hillary Clinton wäre unschlagbar, richtig?", sagte Kevin McCarthy, Fraktionsvorsitzender der Republikaner im Repräsentantenhaus. Aber die Republikaner hätten einen Untersuchungsausschuss eingerichtet. "Und wie sind ihre Umfragewerte heute? Die Zahlen fallen. Warum? Weil sie unglaubwürdig ist. Aber niemand hätte das gewusst, wenn wir nicht gekämpft hätten."
McCarthys Statement war die Antwort auf eine Frage nach den Leistungen der Republikaner im US-Kongress. Mittlerweile hat er sich von dieser Bemerkung distanziert und erklärt, dass das Interesse der Republikaner an Clintons Emails Teil einer Untersuchung ohne parteipolitische Hintergedanken gewesen sei.
Die Jagd nach den Emails hat Clinton aber zweifelsohne geschadet. Wie die "USA Today"-Umfrage ergab, glauben 70 Prozent der Wähler, die Email-Affäre habe Clintons Chancen, ins Weiße Haus einzuziehen, geschmälert.
Als ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin hat Clinton mehr Erfahrung als alle anderen Kandidaten im Rennen. Sie ist eine Persönlichkeit, die dem US-amerikanischen Volk wohlbekannt ist und die viele Bewunderer hat. Gleichzeitig vermag sie es jedoch nicht, die zähen Zweifel abzuschütteln und das Zischen der bösen Zungen verstummen zu lassen.
Sie muss es irgendwie schaffen, von vorne zu beginnen und ein neues Feuer der Begeisterung zu entfachen. Dazu wird sie in der Debatte die Chance bekommen.
Die Präsidentschaftsdebatte der Demokratischen Partei überträgt CNN International live am Mittwoch, den 14. Oktober, ab 1 Uhr MEZ. Eine Wiederholung wird am Mittwoch, den 14. Oktober, um 13 Uhr und um 21 Uhr MEZ ausgestrahlt.
Quelle: ntv.de