Politik

Frankreichs Linke feiert den Sieg Hollande: Der Wandel beginnt jetzt

Hollande ist lange unterschätzt worden.

Hollande ist lange unterschätzt worden.

(Foto: AP)

Zum ersten Mal seit 17 Jahren hat Frankreich wieder einen sozialistischen Präsidenten: François Hollande schlägt in der zweiten und entscheidenden Runde der Präsidentenwahl den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy deutlich. Dieser räumt seine Niederlage ein und verabschiedet sich anschließend aus der Politik. Hollande verspricht, sofort mit der Arbeit zu beginnen.

Die Machtfülle des Präsidenten

Von allen Staatsoberhäuptern der EU hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und bestimmt die Verteidigungs- und Außenpolitik. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat. Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und ernennt die wichtigsten Staatsämter. Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.

Der Jubel bei den französischen Sozialisten kennt keine Grenzen: Erstmals seit 24 Jahren wurde ein Sozialist zum Präsidenten Frankreichs gewählt, erstmals seit der Ära von François Mitterrand, der von 1981 bis 1995 an der Spitze des Landes stand. Geschafft hat dies , ein Mann, der lange als Provinzpolitiker und Parteisoldat belächelt wurde. Der 57-Jährige holte sogar ein ähnlich gutes Ergebnis wie sein Vorbild Mitterrand: 51,8 Prozent der Franzosen stimmten für ihn, auch Mitterrand war bei seiner ersten Wahl auf 51,8 Prozent gekommen.

Hollande will nach seinem Wahlsieg Präsident aller Franzosen sein. In seiner ersten Rede nach der Wahl rief er zur Einigkeit auf. "Die Franzosen haben den Wechsel gewählt, indem sie mich an die Spitze der Republik gewählt haben", betonte der Sozialist. Nach einem Dankeswort an seine Anhänger sagte Hollande: "Ich bin glücklich, dass ich Hoffnung vermittelt habe." Er betonte: "Der Wandel, den ich Euch versprochen habe, beginnt jetzt."

"Ich verpflichte mich, meinem Land zu dienen", rief ein sichtlich befreiter Hollande vor der Kathedrale von Tulle, seiner Wahlheimat in der zentralfranzösischen Corrèze. Hollande war in Begleitung seiner Lebensgefährtin .

Es gebe viele Aufgaben zu lösen, darunter in der Europapolitik, dem Bildungs- oder Umweltbereich, sagte Hollande. Mit Blick auf Europa betonte er, Sparsamkeit könne nicht schicksalhaft sein, sie müsse begleitet werden von sozialer Abfederung. Hollande, der die Freundschaft mit Deutschland betonte, sprach von einem "Neustart für Europa".

Die Budgetsanierung in Frankreich müsse weitergehen. Justiz und die Jugend mache er zu den Prioritäten seiner Amtszeit. Daran werde er sich am Ende seines Mandats selbst messen.

Auf dem symbolträchtigen Pariser Bastille-Platz lag sich Frankreichs Linke jubelnd und ausgelassen in den Armen, dort, wo auch Mitterrand am 10. Mai 1981 seinen historischen Wahlsieg gefeiert hatte.

Abschied aus der Politik

Sarkozy verabschiedete sich.

Sarkozy verabschiedete sich.

(Foto: dapd)

Schon lange vor den offiziellen Hochrechnungen der Institute um 20 Uhr feierten die Anhänger der Sozialisten in den Straßen von Paris. Fahnen und lautes Autohupen begleiteten die Begeisterung vor der Parteizentrale an der Rue de Solférino. Parteisprecher Benoît Hamon verkündete stolz, dass nun die "17-jährige Herrschaft der Rechten im Elysée-Palast zu Ende geht".

gestand vor seinen Anhängern die Niederlage ein. "François Hollande ist der Präsident und muss respektiert werden", sagte Sarkozy. Er habe mit ihm telefoniert und ihm für das Amt Glück gewünscht. Seine Anhänger unterbrachen ihn immer wieder mit lauten "Nicolas"-Rufen. "Ich übernehme die gesamte Verantwortung für diese Niederlage", ergänzte der Amtsinhaber.

Der 57-Jährige kündigte seinen Ausstieg aus der Politik an. Nach 35 Jahren in der Politik, 10 Jahren Regierungsarbeit und 5 Jahren an der Spitze des Landes werde sein Engagement nun ein "anderes" sein. Er werde wieder "Franzose unter Franzosen" werden. "Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass es Frankreich gelingen wird, die Herausforderungen zu meistern." Bereits vor der Wahl hatte Sarkozy angedeutet, dass er im Falle einer Niederlage wieder als Anwalt arbeiten wolle.

"Normal bleiben"

Welten liegen zwischen den Auftritten Hollandes, der ausdrücklich auch als Präsident "normal" bleiben will, und den einstigen Siegesfeiern von Nicolas Sarkozy. Der unterlegene konservative Präsident hatte seine Wahl zum Staatschef 2007 im Nobelrestaurant Fouquet's zelebriert und gleich danach Ferien auf der Luxusyacht eines Millionärsfreundes gemacht. Dieser Hang zu den Schönen und Reichen wurde Sarkozy am Ende ebenso zum Verhängnis wie seine magere Wirtschaftsbilanz mit hoher Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung.

Hollande hatte auch im Wahlkampf auf Stetigkeit und Verlässlichkeit gesetzt - als Gegenentwurf zu dem oft als hyperaktiv und sprunghaft empfundenen Sarkozy. Die wichtigsten Vorhaben aus seinem 60-Punkte-Programm für Arbeit, Bildung und Jugend will der Mitte-Sozialist schon im ersten Jahr einer Amtszeit umsetzen.

Steiniger Weg an die Macht

Für die Sozialisten war der Weg zum Wahlsieg steinig: Erst stolperte der große Hoffnungsträger Dominique Strauss-Kahn im vergangenen Jahr über seine Sex-Affären. Danach musste sich das sozialistische Lager neu sortieren, denn Parteigrößen wie PS-Chefin Martine Aubry hatten ursprünglich zugunsten Strauss-Kahns auf eine Kandidatur verzichten wollen.

Schließlich gewann Hollande die Vorwahlen der Sozialisten, obwohl seine eigenen Parteifreunde ihn im internen Wahlkampf als "schlaff" attackiert hatten. Seine Ex-Lebensgefährtin Ségolène Royal stichelte: "Können die Franzosen eine Sache nennen, die er in 30 Jahren politischen Lebens geschafft hat?"

Doch der wegen seines zurückhaltenden Auftretens oft unterschätzte Hollande schaffte es nicht nur, die Flügel seiner Partei hinter sich zu scharen, sondern auch seinen klaren Vorsprung gegenüber Präsident Nicolas Sarkozy monatelang zu verteidigen. Ausreißer oder Schnitzer gab es im Wahlkampf der Sozialisten kaum, sicher auch dank des für seine Vorsicht bekannten Hollande.

Hollande will Fiskalpakt neu verhandeln

Als Kernprojekte in Hollandes politischem Programm gelten eine umfassende Reform des Steuersystems und Maßnahmen in den Bereichen Bildung und Beschäftigung. So sollen Besserverdiener und Unternehmen stärker belastet werden und 60.000 neue Jobs im Bildungsbereich geschaffen werden.

Zudem will Hollande den Fiskalpakt in Europa neu verhandeln und bis Ende 2012 die französischen Truppen aus Afghanistan abziehen. Sarkozy bezeichnete beide Vorschläge im Wahlkampf als unverantwortlich. Auch von der Bundesregierung kam Kritik.

Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich im Wahlkampf mit ihrer Unterstützung für Sarkozy weit aus dem Fenster gelehnt hatte, will Hollande schon sehr bald telefonieren. Markige Wahlkampf-Sätze des Sozialisten wie "es ist nicht Deutschland, das für ganz Europa entscheiden wird" dürften bald Pragmatismus weichen. Und auch in Berlin, wo Hollandes Europa-Kurs anfangs auf Empörung stieß, hatten Merkel und ihre Mitarbeiter lange genug Zeit, sich auf den Wechsel in Paris einzustellen. Beide werden sich voraussichtlich schon in wenigen Tagen persönlich kennenlernen: Hollandes erste Auslandsreise wird nach Berlin führen.

Quelle: ntv.de, sba/dpa/AFP

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