Politik

Der Kriegstag im Überblick Hunderttausende leiden in Mariupol - Millionen fliehen gen Westen

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(Foto: picture alliance/dpa/TASS)

Auch am elften Kriegstag gibt es keinen Anlass zu Hoffnung auf eine Entspannung der Situation in der Ukraine. Im Gegenteil: Vermittler stoßen bei Russlands Präsident Putin auf Granit. Der Versuch, Hunderttausende Zivilisten aus Mariupol zu retten, scheitert erneut. Die Zahl der Flüchtlinge in der EU nimmt historische Ausmaße an.

Auch der zweite Versuch, den Hunderttausenden in der Hafenstadt Mariupol eingekesselten Zivilisten die Flucht zu ermöglichen, ist gescheitert. Die humanitäre Situation in der Stadt verschlechtert sich dramatisch. Wie am Vortag wurde die geplante Evakuierung abgebrochen, da die von beiden Kriegsparteien vereinbarte Feuerpause nicht hielt. Die Menschen in Mariupol lebten in Schrecken und suchten verzweifelt nach Sicherheit, schrieb das Rote Kreuz auf Twitter. In der südukrainischen Stadt sitzen die Menschen nach ukrainischer Darstellung schon seit Tagen ohne Strom und Heizung, es soll viele Tote und Tausende Verletzte geben.

Mariupols Bürgermeister Wadym Boitschenko sprach danach im ukrainischen Fernsehen von einer "humanitären Blockade" durch russische Einheiten. Er flehe um die Errichtung eines Korridors, um Ältere, Frauen und Kinder aus der Stadt mit rund 440.000 Einwohnern zu bringen. Russland erklärte, ukrainische "Nationalisten" hätten die Feuerpause nutzen wollen, um sich zu reorganisieren.

Russland meldet Einnahme weiterer Ortschaften

Der Generalstab in Kiew sieht den Hauptfokus der russischen Angreifer neben Mariupol weiter in der Umzingelung der Hauptstadt Kiew, der Millionenmetropole Charkiw im Osten und der Stadt Mykolajiw im Süden. Russische Einheiten versuchten, in die südwestlichen Außenbezirke von Kiew einzudringen und näherten sich der Autobahn nach Boryspil, wo Kiews internationaler Flughafen liegt. Russland plane zudem die Einnahme des Wasserkraftwerks Kaniw rund 150 Kilometer südlich von Kiew am Fluss Dnipro.

In Moskau meldete das Verteidigungsministerium den Vormarsch der russischen Armee und der von ihr unterstützten Separatisten im Osten der Ukraine. Russische Streitkräfte und prorussische Separatisten brachten demnach mehr als ein Dutzend Ortschaften unter ihre Kontrolle. Zugleich meldete die russische Seite ukrainische Angriffe auf die selbst erklärten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk. Die Angaben beider Seiten können nicht unabhängig überprüft werden.

Laut UN sind im Krieg bislang 364 Zivilisten getötet worden. Wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCR) weiter mitteilte, wurden bisher 759 Zivilisten verletzt. Darunter waren auch mindestens 41 Kinder. Dabei handelt es sich um gesicherte Mindestzahlen. Mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es bereits viel mehr Opfer. Wie viele Tote der Krieg in der Ukraine bisher bei den militärischen Einheiten auf beiden Seiten gefordert hat, ist unbekannt. Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sprach von "Hunderten von russischen Soldaten", die täglich getötet wurden. Die Diplomatin sagte dabei nicht, wie viele Opfer es auf ukrainischer Seite nach Einschätzung der USA gibt.

Bekommt die Ukraine neue Flugzeuge?

Die internationalen Vermittlungsbemühungen halten an, ohne dass die beteiligten Staats- und Regierungschefs Fortschritte melden können. Putin sprach heute unter anderem mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan. Der russische Präsident betonte auch bei diesen Gelegenheiten seine Entschlossenheit, die angebliche angestrebte "Entnazifizierung" und "Entmilitarisierung" der Ukraine durchzusetzen. Die Forderung seiner Gesprächspartner nach einer sofortigen Waffenruhe stieß weiter auf taube Ohren.

Bei der Frage zu weiterer militärischer Hilfe für die Ukraine widersprach Polen erneut Berichten, wonach das Land die Ukraine mit Kampfflugzeugen sowjetischer Bauart ausstatten will. Blinken sagte jedoch auch: "Wir sehen uns derzeit aktiv die Frage von Flugzeugen an, die Polen an die Ukraine liefern könnte."

Fast 38.000 ukrainische Flüchtlinge in Deutschland

Dramatisch entwickelt sich die Zahl der Flüchtlinge, die die Ukraine Richtung Westen verlassen. Nach aktuellen Schätzungen der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR sind bereits 1,5 Millionen vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine geflohen. "Dies ist nun die am schnellsten wachsende Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg", teilte die Organisation mit. Allein im ukrainischen Nachbarland Polen sind nach Angaben des Grenzschutzes seit Kriegsbeginn rund 922.400 Flüchtlinge angekommen.

Auch in Deutschland stieg die Zahl der ukrainischen Kriegsflüchtlinge weiter deutlich: Nach Angaben des Innenministeriums registrierte die Bundespolizei deutschlandweit 37.786 geflüchtete Ukrainer - und damit fast 10.000 mehr als am Samstag. Bundeskanzler Scholz äußerte sich nach seinem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen lobend über die europäische Solidarität: "Es ist gut und eben nicht selbstverständlich, dass alle EU-Staaten gemeinsam, schnell und unbürokratisch Kinder, Frauen und Männer aufnehmen." Die regierende Bürgermeisterin Berlins, Franziska Giffey, forderte allerdings von Bund mehr Hilfe bei der Versorgung der ankommenden Flüchtlinge. Die Stadt, in der die meisten nach Deutschland kommenden Ukrainer ankommen, stoße "an ihre Grenzen".

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Quelle: ntv.de, mbo/dpa

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