Studie des Ifo-Instituts Wehrpflicht würde bis zu 70 Milliarden Euro kosten
10.07.2024, 10:42 Uhr Artikel anhören
Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt. Derzeit wird über eine Wiedereinführung diskutiert.
(Foto: Frank May/dpa)
Angesichts des aggressiven Auftretens Russlands wird heftig über die Wiedereinführung einer Wehrpflicht in Deutschland diskutiert. Die volkswirtschaftlichen Verluste wären laut einer Studie hoch.
Die Wiedereinführung einer Wehrpflicht in Deutschland könnte dem Ifo-Institut zufolge gesamtwirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Dies geht aus einer Studie des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts für das Bundesfinanzministerium hervor. Die Analyse untersucht die Kosten der Wehrpflicht in drei Szenarien. Betrifft die Wehrpflicht einen gesamten Jahrgang (100 Prozent), wäre mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent oder knapp 70 Milliarden Euro zu rechnen. Falls ähnlich wie bei der alten Wehrpflicht knapp ein Viertel eines Jahrganges eingezogen würde, könnte die Wirtschaftskraft um 0,4 Prozent oder 17 Milliarden Euro zurückgehen. Werden ähnlich wie in Schweden nur 5 Prozent eines Jahrganges eingezogen, beträgt der Rückgang laut Ifo 0,1 Prozent oder 3 Milliarden Euro.
"Eine Wehrpflicht im Rahmen eines sozialen Pflichtjahres würde jährlich wirtschaftliche Kosten verursachen, die in etwa so groß sind, wie die Mittel aus dem Verteidigungshaushalt und dem Sondervermögen Bundeswehr im Jahr 2024 zusammen", sagte Ifo-Militärexperte Marcel Schlepper. Die Kosten entstehen vor allem, weil junge Menschen erst später beginnen, Vermögen sowie wirtschaftlich nutzbare Fähigkeiten und Kenntnisse etwa durch eine Ausbildung aufzubauen. Fachleute sprechen hier von Humankapital.
"Als Alternative zur Wehrpflicht wäre es sinnvoller, die Bundeswehr mit mehr Mitteln auszustatten, um sie als Arbeitgeber attraktiver zu machen", erklärte Forscher Panu Poutvaara, Leiter des Ifo-Zentrums für Internationalen Institutionenvergleich und Migrationsforschung. "Denkbar wäre, den Wehrdienstleistenden höhere Gehälter zu bezahlen." Dies würde zwar den Staatshaushalt stärker belasten, die gesamtwirtschaftlichen Kosten seien aber gleichmäßiger verteilt und fielen um fast die Hälfte geringer aus als bei der Wehrpflicht: 37 statt 70 Milliarden Euro (im 100-Prozent-Szenario), 9 statt 17 Milliarden Euro (im 25-Prozent-Szenario) und 2 statt 3 Milliarden Euro (im 5-Prozent-Szenario). Die militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr würden bei der Marktlösung in jedem Szenario im gleichen Maße wie bei der Wehrpflicht wachsen.
Die Kosten einer Wehrpflicht wären zudem nicht gleichmäßig in der Gesellschaft verteilt, sondern fielen primär bei den Wehrpflichtigen selbst an. Denn der Wehrdienst zwingt diese Personen, ihre Bildungs- und Berufsplanung anzupassen. "Bei einer Wehrpflicht entstehen für die Nicht-Wehrpflichtigen kaum Kosten. Das mag erklären, warum eine Wehrpflicht insbesondere bei jenen Altersgruppen so beliebt ist, die nicht selbst betroffen wären", erläuterte Ifo-Experte Schlepper.
Die FDP, die eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ablehnt, argumentiert auch mit den Zahlen des Ifo-Instituts. Verteidigungsminister Boris Pistorius kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Von einem Finanzminister, der auch noch Major der Reserve sei, hätte er sich gewünscht, die Notwendigkeiten der Truppe klar zu sehen, sagte Pistorius. Es sei auch kein Ifo-Gutachten nötig, um zu wissen, dass der Wehrdienst oder eine Wehrpflicht wirtschaftliche Folgen haben werde: "Verteidigung, Sicherheit hat volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Implikationen. Das habe ich immer gesagt."
Quelle: ntv.de, mli/rts