"Mal schauen, was da rauskommt mit der SPD" Im Fall der Fälle wären die Grünen bereit
16.10.2013, 16:06 Uhr
Schon in der ersten Sondierungsrunde war die Stimmung offensichtlich gut.
(Foto: REUTERS)
Die Grünen wollen zwar nicht mit der Union koalieren. Aber ihr Parteichef Özdemir kann sich durchaus vorstellen, dass es neue Gespräche zwischen Grünen und der CDU/CSU gibt, wenn die schwarz-roten Verhandlungen scheitern. Ob es dazu kommt, entscheidet am Ende die Basis der SPD.
Für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen zwischen Union und SPD hat Grünen-Chef Cem Özdemir eine Wiederaufnahme der schwarz-grünen Sondierungen nicht ausgeschlossen. "Das ist jetzt natürlich hoch spekulativ. Aber ich wäre doch töricht, wenn ich ausschließen würde, was passiert", sagte er auf eine entsprechende Frage im Deutschlandfunk.
"Wir haben ja nun auch eine staatspolitische Verantwortung alle miteinander für dieses Land und für seine Zukunft, und jetzt muss man mal schauen, was da rauskommt mit den Sozialdemokraten", so Özdemir weiter. "Am Ende, wenn eine solche Situation kommt ..., kann es natürlich sein, dass man noch mal miteinander spricht."
Özdemir verwies darauf, dass die zweite Sondierungsrunde mit der Union "vieles verändert" habe. "Nehmen Sie mal die Äußerungen von Herrn Dobrindt über uns. Das entspricht ja nicht ganz der Tonlage, wie sie im Wahlkampf zu hören war. Allein das ist ein Fortschritt, übrigens ein kultureller Fortschritt nicht nur für die beiden Kräfte, sondern insgesamt für die Republik."
"Die Tür ist nicht zugenagelt"
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte die Grünen im Wahlkampf hart attackiert. Jetzt sagte er, die Sondierungsgespräche mit den Grünen seien "sehr ernsthaft" gewesen. "Ehrlicherweise ernsthafter, als man dies am Anfang erwartet hat." Die Stimmung sei gut gewesen, sachlich und "ruhig" - am Abend zuvor, beim Treffen mit der SPD, war es zwischen Dobrindt und SPD-Vizechefin Hannelore Kraft laut geworden.
Die Grünen hatten nach dem Treffen mit der Union erklärt, es habe bei den Gesprächen zwar eine große Offenheit gegeben. Dennoch gebe es keine tragfähige Grundlage für vier Jahre Regierungszusammenarbeit. "Die Tür ist nicht zugenagelt mit Nägeln, die man nicht rauskriegen kann, aber das ist eine hypothetische Frage", hatte Özdemir in der Nacht gesagt.
Offenbar liegt dem Grünen-Chef einiges daran, den guten Draht zur Union nicht gleich wieder zu kappen. Beim Staatsbürgerschaftsrecht müsse man mit "breiten Mehrheiten" arbeiten, sagte Özdemir. Geht es nach ihm, werden die Grünen eine möglichst konstruktive Oppositionsrolle spielen. Das ist nicht ganz unproblematisch, immerhin ist die Opposition im Fall einer Großen Koalition ohnehin nur sehr schmal.
Klöckner nennt Özdemirs Äußerung "sportlich"
Zumindest die Realos bei den Grünen haben derzeit jedoch eher 2017 im Blick. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann lobte die Annäherung an die Union auf Bundesebene. "Das ist ein Wechsel auf die Zukunft. Darauf können wir aufbauen", sagte er. "Die Ausschließeritis hat ein Ende gefunden."
CDU-Bundesvize Julia Klöckner sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Gespräche mit den Grünen seien keine verlorene Zeit gewesen. Spekulationen wie jene von Özdemir über rasche neue Verhandlungen seien aber "zumindest relativ sportlich", so die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende.
An diesem Donnerstag treffen sich Union und SPD zu einer dritten Sondierungsrunde. Am Sonntag könnte dann der SPD-Parteikonvent die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen beschließen. Allerdings gibt es noch einige inhaltliche Hürden aus dem Weg zu räumen. Streit gibt es vor allem über das SPD-Konzept zum Mindestlohn. In der CDU heißt es, gerade bei diesem Thema sei die SPD kaum zu Kompromissen bereit oder in der Lage.
Lemke denkt an dritte Option
Erneut brachte die Politische Geschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, die rot-rot-grüne Option ins Spiel. Wenn jetzt über eine andere Offenheit zwischen den Parteien geredet werde, dann stelle sich nicht nur die Frage nach Schwarz-Grün, sondern auch nach dem Verhältnis von SPD und Linkspartei. "Sollte wider Erwarten die Union mit der SPD sich nicht auf eine Große Koalition einigen, wäre das eine sehr schwierige Situation", gibt die Geschäftsführerin bei n-tv.de zu Bedenken. Dann liege der Ball weiter bei Frau Merkel. "Aber dann wären alle Parteien, auch die SPD und die Linkspartei aufgefordert, über eine Lösung nachzudenken." Aber das alles sei noch höchst spekulativ.
Schwarz-Grün das vorletzte Ass der Union
Durch den Absprung der Grünen ist der Union nun ein taktisches Druckmittel verloren gegangen. CDU-Vize Thomas Strobl warnte die SPD bereits davor, nun zu überreizen: "Das ist jetzt eine harte Nuss." Steuererhöhungen werde es jedenfalls nicht geben.
Die SPD hat dagegen weiter ein Druckmittel in der Hand: Um überhaupt in Koalitionsverhandlungen einsteigen zu können, braucht SPD-Chef Sigmar Gabriel das Votum des Parteikonvents. Einen Koalitionsvertrag will er sich von der Parteibasis absegnen lassen. Es gilt zwar als unwahrscheinlich, dass die SPD-Mitglieder einen solchen Vertrag ablehnen würden. Aber in Koalitionsverhandlungen kann Gabriel stets darauf verweisen, dass er gute Argumente braucht, um diesen Vertrag auch durchzubekommen.
Trotz des kritischen Einwands von Klöckner dürfte die CDU sich über Özdemirs Äußerung gefreut haben. Sie ist das vorletzte Ass im Ärmel der Union. Noch besser ist nur der Joker, den Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Hinterhand hält: Neuwahlen. Angesichts der aktuellen Umfragen keine gute Aussicht für die Sozialdemokraten. Sollten die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen wider Erwarten scheitern, dürfte kaum jemand so inständig auf Schwarz-Grün hoffen wie die SPD.
Quelle: ntv.de