Humanitäre Lage katastrophal In Gaza drohen Ratten- und Insektenplagen
10.11.2023, 16:51 Uhr Artikel anhören
Humanitäre Feuerpausen sollen Menschen in Gaza die Flucht in den Süden ermöglichen.
(Foto: REUTERS)
Aus dem umkämpften Norden des Gazastreifens fliehen täglich Tausende Menschen, dabei wird die humanitäre Lage im Gazastreifen stetig schlechter. Viele der Krankenhäuser haben den Betrieb bereits eingestellt, rund um die verbliebenen toben Kämpfe zwischen Hamas und Israelis.
Im Gazastreifen drohen Ratten- und Insektenplagen, weil sich in den Straßen Müllberge türmen. Davor warnte das UN-Nothilfebüro OCHA. Die Müllabfuhr habe weitgehend eingestellt werden müssen, weil es zum einen keinen Treibstoff für die Lastwagen gebe und zum anderen die Sicherheitslage solche Fahrten lebensgefährlich mache. Damit könnten die Abfälle nicht wie bislang auf Deponien gebracht werden. "Abfälle sammeln sich in den Straßen und vor den Behausungen der Vertriebenen", teilte OCHA mit. "Das sorgt für ein hohes Risiko der Ausbreitung von durch die Luft übertragenen Krankheiten und von Insekten- und Rattenplagen."
Die humanitäre Lage spitzt sich im Gazastreifen ohnehin weiter zu. Wegen der schweren Bombardierungen, Zerstörungen und dem Mangel an medizinischem Material sind 20 der 36 Krankenhäuser nicht mehr im Einsatz. Das berichtete die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Auch die noch funktionierenden Krankenhäuser liefen nur im Notbetrieb, weil viele für eine normale Versorgung von Patientinnen und Patienten nicht genügend Desinfektionsmittel und Anästhesiepräparate oder Strom hätten. Die noch funktionierenden Krankenhäuser hätten teils doppelt so viele Patienten wie Betten, sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris.
Die WHO hat demnach Berichte über intensive Kampfhandlungen rund um das Shifa-Krankenhaus erhalten. "Wir haben aber keine Angaben zu Schäden", sagte Harris. Das Shifa-Krankenhaus sei das einzige mit einer Kinderabteilung. Dort seien Kinder auf der Intensivstation und andere, die Dialyse benötigten. Eine Unterbrechung ihrer Versorgung sei für sie lebensgefährlich.
Der Direktor der größten Klinik des Gazastreifens, Mohammad Abu Salamija, sprach von "israelischen Angriffen" und "Bombardements" auf Gebäude der Klinik, in denen Notfälle behandelt würden und Flüchtlinge Zuflucht gefunden hätten. Es gebe Tote und Verletzte. Die Berichte ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee sagte, sie prüfe die Berichte.
"Zeit für eine Evakuierung läuft davon"
Auch am Freitag waren israelischen Angaben zufolge wieder Zehntausende in den Süden des Küstengebiets geflüchtet. Dafür sei ein Fluchtkorridor für mehrere Stunden geöffnet gewesen. "Die Zeit für eine Evakuierung läuft davon", warnte ein Armeesprecher auf X in arabischer Sprache. Die Armee und die Cogat-Behörde veröffentlichten auch Videos, die etliche Menschen auf der Flucht zeigen sollen. Dabei sind mehrere Menschen zu sehen, die weiße Fahnen schwenken.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte zuvor angekündigt, Zivilisten weiter eine sichere Flucht aus dem Kampfgebiet im abgeriegelten Gazastreifens zu gewähren. "Wir wollen an bestimmten Orten für einen bestimmten Zeitraum, ein paar Stunden hier, ein paar Stunden dort, eine sichere Passage von Zivilisten aus der Kampfzone ermöglichen", sagte er dem US-Sender Fox News. Zuvor hatte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats in den USA, John Kirby, mitgeteilt, Israel habe täglichen, vierstündigen humanitären Pausen im nördlichen Teil des Gazastreifens zugestimmt.
Israelischen Medien zufolge haben in den vergangenen Tagen mehr als 100.000 Palästinenser die Fluchtroute genutzt. Auch im Süden des Gazastreifens kam es bereits wiederholt zu israelischen Luftangriffen. Nach Darstellung der Armee gibt es dort in den für die Zivilbevölkerung ausgewiesenen Gebieten ausschließlich gezielte Attacken auf Führer der Hamas. Die Menschen leben dort unter prekären Umständen. Hilfsorganisationen sprechen von einer humanitären Katastrophe.
Quelle: ntv.de, mba/dpa/rts