Offensive gegen IS in Falludscha Iraks Armee nimmt Stadtzentrum ein
17.06.2016, 18:30 Uhr
Soldaten der irakischen Armee im Zentrum von Falludscha.
(Foto: REUTERS)
Der Druck auf die Terrormiliz IS im Irak wächst. Nun stehen die Islamisten kurz davor, eine ihrer Hochburgen im Land völlig zu verlieren. Ein Erfolg für die Regierung, der jedoch Nebenwirkungen hat.
Rund vier Wochen nach dem Beginn einer Offensive auf die westirakische Stadt Falludscha sind Regierungskräfte in das Zentrum der IS-Hochburg vorgestoßen. Dort konnten sie unter anderem den Hauptregierungskomplex und das Krankenhaus zurückerobern, wie ein hochrangiger Armeekommandeur erklärte. Auf dem Sitz des Bezirksgouverneurs wurde demnach die irakische Flagge gehisst. Rund 70 Prozent der Stadt seien mittlerweile befreit worden, hieß es.
Iraks Armee, Polizeikräfte und Milizen hatten die Offensive auf Falludscha im Mai begonnen. Die US-geführte internationale Koalition unterstützt die Operation gegen den IS mit Luftangriffen. Die Stadt in der Provinz Al-Anbar rund 70 Kilometer westlich von Bagdad ist neben Mossul wichtigste Hochburg des IS im Land und war im Januar 2014 an die sunnitischen Extremisten gefallen. Falludscha liegt an einer wichtigen Verbindungsroute unter anderem nach Syrien und hat deshalb eine hohe strategische Bedeutung. Ein Verlust der vor allem von Sunniten bewohnten Stadt wäre für den IS ein weiterer Rückschlag. Sie hatte bereits die naheliegende Provinzhauptstadt Ramadi und die Stadt Tikrit wieder verloren.
Vormarsch verschärft Spannungen im Irak
Der Vormarsch der Regierungskräfte auf Falludscha ging zuletzt deutlich langsamer voran, unter anderem weil die Extremisten Straßen und Gebäude mit zahlreichen Sprengfallen versehen haben. Sie benutzen außerdem Zivilisten als Schutzschilde, wie es aus Militärkreisen hieß. In der Stadt sollen sich noch Zehntausende Menschen aufhalten.
Die Offensive der Regierungskräfte hat jedoch zugleich die Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten im Land verschärft. An der Operation im sunnitischen Kernland des Iraks sind auch mehrere berüchtigte schiitische Milizen beteiligt. Sunnitische Politiker und Menschenrechtler warfen ihnen in den vergangenen Tagen Vergeltungsakte gegen Sunniten im Umland von Falludscha vor. Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wurden 17 Männer eines sunnitischen Stammes erschossen. Schiitische Milizen sollen demnach auch Hunderte Sunniten gefangen genommen und schwer misshandelt haben, weil sie angeblich mit dem IS zusammengearbeitet haben.
Die Sunniten sind nach den Schiiten die zweitgrößte religiöse Gruppe im Land. Bis zum Sturz des Regimes von Ex-Diktator Saddam Hussein im Jahr 2003 bildeten sie die Elite in Regierung, Verwaltung, Militär und Geheimdiensten. Das Saddam-Regime unterdrückte Schiiten mit brutaler Gewalt. Heute fühlen sich viele Sunniten von der von Schiiten dominierten Regierung diskriminiert. Eine Folge daraus ist der Zulauf für den IS.
Zudem entfaltete sich in Falludscha in den vergangenen Tagen ein weiteres Flüchtlingsdrama. Der Internationalen Organisation für Migration zufolge flohen seit Beginn der Offensive mehr als 40.000 Menschen unter größter Lebensgefahr aus der umkämpften Stadt. Hilfsorganisationen fehlt es jedoch akut an Geld, um die notleidenden Menschen zu unterstützen. Die UN haben 2016 nach eigenen Angaben erst 31 Prozent des Geldes erhalten, das sie für die Versorgung von mehr als sieben Millionen Irakern in Not benötigen.
Quelle: ntv.de, bdk/dpa