Dutzende Inhaftierte verletzt Iran meldet vier Tote nach Gefängnis-Brand
16.10.2022, 13:11 Uhr
Zu dem Brand sei es nach einem internen Konflikt im Gefängnis gekommen, erklärte Teherans Staatsanwalt.
(Foto: dpa)
Zahlreiche systemkritische Demonstranten sitzen im berüchtigten Teheraner Ewin-Gefängnis ein. Bei einem Großbrand kommen dort nun mindestens vier Menschen ums Leben, viele weitere werden verletzt. Einen Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten im Iran bestreiten die Behörden.
Nach dem Brand im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran haben die Behörden die ersten Toten gemeldet. Mindestens vier Gefangene seien an Rauchvergiftungen gestorben, meldete die staatliche Nachrichtenagentur IRNA. Nach Angaben von der Justiz-Webseite Misan Online handelt es sich bei den vier Todesopfern um Gefangene, die Haftstrafen wegen Diebstahls verbüßt hatten.
61 weitere Menschen seien verletzt worden, vier von ihnen schwer, hieß es weiter. Die Umstände wurden von offizieller Seite nicht weiter beschrieben. Menschenrechtsorganisationen und Kritiker hatten bereits in der Nacht Opfer in der Haftanstalt befürchtet.
Augenzeugen berichteten, dass am Samstagabend zunächst laute Explosionen und auch Schüsse in der Haftanstalt zu hören waren. Bis Mitternacht soll ein Feuer gebrannt haben, bis in den frühen Morgen stieg Rauch auf.
Laut der Denkfabrik Institute for the Study of War kam es zudem in mindestens 22 Städten in 16 Provinzen im Iran erneut zu Protesten. Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini - der Auslöser der Proteste - ist genau einen Monat her. Sie starb am 16. September nach der Festnahme durch die Sittenpolizei in einem Krankenhaus.
Gefängnis berüchtigt für Folter-Methoden
Das Gefängnis im Norden Teherans gilt landesweit als Ort der Misshandlung und Folter - besonders von politischen Gefangenen. Auch Demonstranten sind dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen vier Wochen inhaftiert, ebenso Doppelstaatler, die neben der iranischen auch eine weitere Staatsbürgerschaft haben. Die USA haben das Gefängnis und seine Leitung im Mai 2018 wegen "ernster Menschenrechtsverletzungen" mit Sanktionen belegt. Was genau in Teherans berüchtigter Haftanstalt geschah, lässt sich nicht unabhängig verifizieren, ebenso tausendfach geteilte Videos in den sozialen Medien, die chaotische Bilder rund um die Anstalt zeigten.
Die staatliche Agentur IRNA berichtete am Samstagabend zunächst von einer Auseinandersetzung zwischen "Hooligans und Randalierern" mit den Gefängniswärtern. Das Textillager der Anstalt sei in Brand gesteckt worden, hieß es weiter. Die Lage sei jedoch nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle gebracht worden. Die Feuerwehr habe den Brand inzwischen gelöscht. Teherans Staatsanwalt bestritt einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten, die sich seit vier Wochen im Land ausbreiten.
Gefangene sind "völlig schutzlos"
Kritiker im Ausland warnten vor einem Blutbad in dem Gefängnis. "Die Inhaftierten, darunter zahllose politische Gefangene, sind in diesem Gefängnis völlig schutzlos", erklärte Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der in New York ansässigen Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran. "Die iranischen Behörden haben wiederholt gezeigt, dass sie das menschliche Leben völlig missachten, und wir sind äußerst besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden."
Augenzeugen berichteten, Angehörige der Gefangenen, die zu dem Ort des Geschehens geeilt waren, hätten vor der Haftanstalt geweint und Informationen über ihre Familienangehörigen gefordert. Rund um das Gefängnis kam es auch in der Nacht zu Staus und systemkritischen Protesten, bei denen immer wieder Slogans wie "Tod dem Diktator" zu hören waren. Polizei und Sicherheitskräfte riegelten das Gebiet ab und setzten Tränengas ein. Hupkonzerte wurden in der Gegend vernommen, wie die reformorientierte iranische Tageszeitung "Shargh" berichtet. Das dauerhafte Hupen ist dabei ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen, die landesweit demonstrieren.
Die USA äußerten sich besorgt über die dramatische Lage. "Wir verfolgen die Berichte aus dem Ewin-Gefängnis mit großer Dringlichkeit", schrieb der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, auf Twitter. "Iran trägt die volle Verantwortung für die Sicherheit unserer zu Unrecht inhaftierten Bürger, die unverzüglich freigelassen werden sollten." Der Iran verurteilte die Reaktion als Einmischung in innere Angelegenheiten und Unterstützung der landesweiten Proteste.
Quelle: ntv.de, mbu/dpa/AFP