Putin löst Ängste aus Ist die Krim erst der Anfang?
15.03.2014, 09:51 Uhr
Putin will mit der Krim offenbar einen Präzedenzfall schaffen.
(Foto: AP)
Wladimir Putin träumt vom Aufbau einer Eurasischen Union. Ohne solche Länder wie die Ukraine ist der russische Präsident allerdings nicht in der Lage, sein Reich zu schaffen. In vielen Staaten der Ex-Sowjetunion breitet sich deshalb Unbehagen aus.
Die Eingliederung der ukrainischen Halbinsel Krim in die Russische Föderation ist offenbar nicht mehr aufzuhalten. Für viele Russland-Experten ist das Krim-Referendum deshalb nur ein Mittel zum Zweck, mit dem der russische Präsident Wladimir Putin seine angestrebte Eurasische Union aufbauen will. Die Ukraine gilt als Kernstück des Vorhabens. Aus Moskauer Sicht scheint es daher unablässlich, sich zumindest Teile davon für einen solchen Staatenbund zu sichern.
Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, hält es sogar für denkbar, dass "die Krim erst der Anfang ist". Er hofft aber zugleich, dass die russische Führung "einsieht, dass der Preis für eine weitere Einmischung in dem Nachbarland zu hoch wäre".
Putin begründet sein Vorgehen auf der Krim indes mit der "Verantwortung für das Leben seiner Landsleute". In einem Telefongespräch mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon unterstrich Putin, dass das geplante Referendum auf der Krim "voll und ganz den Normen des Völkerrechts und der UN-Charta entspricht".
Minderheiten gelten als Argument
Mit diesem Argument könnte sich Moskau theoretisch vielerorts einschalten - in vielen ehemaligen Sowjetstaaten gibt es teilweise starke russische Minderheiten. In dem EU-Land Lettland zum Beispiel, wo russischstämmige Bürger 34 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Im Jahr 2012 gab es ein Referendum darüber, ob Russisch die zweite Amtssprache werden soll. Eine klare Mehrheit von 75 Prozent der Letten stimmte mit "Nein". Um die Staatsangehörigkeit zu erhalten, muss ein lettischer Sprachtest absolviert werden. Dadurch sind rund 300.000 Angehörige der russischen Minderheit staatenlos.
Auch in Estland leben 330.000 Russen, was einem Viertel der Bevölkerung entspricht. Der Großteil von ihnen lebt in der Stadt Narva und Umgebung, nahe der Grenze zu Russland. Um die Staatsangehörigkeit zu bekommen und beispielsweise an Wahlen teilnehmen zu können, muss ein Sprachtest absolviert werden. Dies gilt für russischstämmige Bewohner selbst dann, wenn sie in Estland geboren wurden. Die Beziehungen zwischen Estland, das Mitglied der EU und der Nato ist, und Russland sind sehr gespannt.
In Weißrussland sind zwar nur etwa elf Prozent der Bevölkerung russischstämmig. Russisch ist aber eine der offiziellen Amtssprachen und wird von fast allen Einwohnern beherrscht.
Drei Millionen russischstämmige Menschen leben in Kasachstan, das macht 26 Prozent der Bevölkerung. Die Mehrheit von ihnen wohnt im Norden des Landes, in einigen Regionen leben fast nur Russischstämmige. Russisch ist eine offizielle Amtssprache. Russische Ultranationalisten fordern immer wieder die Eingliederung dieser Regionen in russisches Staatsgebiet.
In Moldau sind insgesamt nur etwa sechs Prozent der Einwohner russischstämmig. Im abtrünnigen Gebiet Transnistrien aber sind 60 Prozent der Bewohner russischsprachig, etwa die Hälfte von ihnen sind Russen und die anderen Ukrainer. Transnistrien wird von Moskau wirtschaftlich und politisch unterstützt.
Und in Georgien gibt es nur wenige russischsprachige Einwohner. In den Gebieten Abchasien und Südossetien, die sich einseitig von Tiflis losgesagt haben, ist Russisch eine der offiziellen Amtssprachen. Russland erkennt als eines von ganz wenigen Ländern die beiden Gebiete als unabhängig an.
Von einem "Bogen der Angst" sprach unlängst die litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite, der von den baltischen Staaten über Polen, Rumänien, Moldawien bis nach Georgien reiche. Putin schaffe mit der Krim einen Präzedenzfall - was in diesen Ländern aufmerksam verfolgt werde. "Putin geht soweit, wie man ihn lässt", warnte auch die ukrainische Politikerin Julia Timoschenko. Und tatsächlich, betonen westliche Militärexperten, seien die russischen Großmanöver in Westrussland auch eine Drohgebärde gegen die Balten gewesen. Die demonstrative Umarmung Osteuropas durch EU- und Nato-Partner soll jetzt Ängste zerstreuen und eine Spaltung gerade in der EU verhindern.
Quelle: ntv.de, ppo/rts