Politik

Keine Panik vor dem Referendum Italien trotzt den Unkenrufen

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Ministerpräsident Matteo Renzi hat das Referendum zu einer Abstimmung über seine Politik gemacht.

Ministerpräsident Matteo Renzi hat das Referendum zu einer Abstimmung über seine Politik gemacht.

(Foto: imago/Insidefoto)

Egal, wer beim Referendum gewinnt, für die ausländische Presse steht das Land vor dem Ruin. Die Italiener dagegen hoffen auf gute Nachrichten - und geben sich ein wenig fatalistisch.

Die Italiener haben sich daran gewöhnt, für Aufregung an den internationalen Finanzmärkten zu sorgen. Und an negative Schlagzeilen.

Die britische Presse scheint aber jede Bodenhaftung verloren zu haben. Die Zeitschrift "The Economist" erklärt den Italienern in ihrer jüngsten Ausgabe wieder einmal, was sie wählen sollen: auf keinen Fall die Verfassungsreform unterstützen, denn diese könnte die Demokratie in Gefahr bringen. Die "Financial Times" wiederum meint, bei einem Sieg der Nein-Stimmen wären acht italienische Banken in finanzieller Gefahr. Und dann ist da noch der Verbleib Italiens in der Eurozone: Bei einem Sieg der Reformgegner wäre dieser nicht mehr sicher. Die Staatsschulden würden das Land überwältigen.

Linke Gruppe, wie hier in Rom, hoffen auf ein Nein.

Linke Gruppe, wie hier in Rom, hoffen auf ein Nein.

(Foto: imago/Pacific Press Agency)

Auch die Italiener fragen sich, was nach dem Referendum passiert. Aber ganz so schwarz sehen sie ihre Zukunft nicht. Mögliche wirtschaftliche Folgen sind eher ein Randthema, auch weil die Finanzmärkte als absolut unberechenbar gelten. Was die Reaktionen auf den Brexit und auf Donald Trumps Sieg ja auch bewiesen haben. "Warum sollte Italien am 3. Dezember keine Gefahr für die Eurozone darstellen, aber am 5. Dezember für den Untergang der Eurozone und der EU verantwortlich sein?", fragt Massimo Mucchetti, Abgeordneter der Regierungspartei Partito Democratico, der gegen die Verfassungsreform stimmen wird. "In 72 Stunden ändern sich doch die Eckzahlen nicht." Mucchetti war bis 2012 Wirtschaftsjournalist beim "Corriere della Sera", er weiß, wovon er spricht.

In Umfragen hat sich ein Großteil der Unternehmer für die Verfassungsreform ausgesprochen, mit der das parlamentarische System vereinfacht werden soll. Der Vorsitzende des italienischen Industrieverbandes Confindustria, Vincenzo Boccia, mahnte unlängst, eine Niederlage würde die Investoren abschrecken und das Land wieder zum Stillstand bringen. Gegen die Reform äußert sich jedoch Italiens größte Gewerkschaft, die CGIL. Nicht weil das Land sie nicht brauche, im Gegenteil, nur, sie kommt aus Renzis Feder, und mit dem Regierungschef will man nach seiner Arbeitsmarktreform partout nichts mehr zu tun haben.

"Italien ist endlich auf dem richtigen Weg"

Wirtschaftsexperte Marco Fortis bedauert, dass die Berichterstattung über Italien eine falsche Einschätzung der wirtschaftlichen Lage transportiere. Es stimme zwar, dass ein robustes Wachstum weiter auf sich warten lasse – dieses Jahr soll es 0,8 Prozent betragen, nächstes Jahr 0,9 Prozent, bei der Produktivität ist Italien in Europa Schlusslicht, während die Staatsschulden trotz Sparpolitik auf 133 Prozent des BIP geklettert sind. Aber: "Wir sind aber endlich auf dem richtigen Weg. Die Zahlen, die das statistische Amt am 1. Dezember verkünden wird, beweisen es", sagt Fortis. "Im letzten Quartal sind die Staatsschulden im Vergleich zum BIP, zum ersten Mal nach acht Jahren, um 0,8 Prozent gesunken, verglichen mit den Zahlen aus dem im Dritten Quartal 2015." Renzis Wirtschaftspolitik, die nicht nur aufs Sparen ausgerichtet ist, sei also die richtige, meint Fortis. Abgesehen davon weise Italien seit 20 Jahren einen Primärsaldo auf. Was das Land noch immer in die Knie zwinge, das seien die Zinsen, die 4 Prozent des BIP ausmachen.

Mucchetti sieht die Lange genau umgekehrt. Renzi habe die Anstrengungen seiner Vorgänger, Mario Monti und Enrico Letta, Italiens Haushalt auf stabilere Fundamente zu stellen, verspielt. Und das könnte beim nächsten Haushaltsgesetz 2017/18 für böse Überraschungen sorgen: "Wenn die US-Notenbank nämlich, wie angekündigt, noch zu Jahresende oder zu Jahresanfang den Leitzins erhöht, wird die EZB, um eine Kapitalflucht zu vermeiden, folgen müssen. Für Italiens Haushaltsfinanzen würde aber ein einziger Prozentpunkt Erhöhung 23 Milliarden Euro mehr an Schulden bedeuten."

Auch das würde aber noch immer nicht den Bankrott der italienischen Staatskassen nach sich ziehen. "Um diesen zu erzeugen, muss ein Spekulations-Tsunami von den Märkten losgetreten werden. Zum Beispiel, indem man Gerüchte über eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit verbreitet", sagt der Wirtschaftsexperte Maurizio Ferrera. "Und auch dann müsste man, müsste die EU tatenlos zusehen." Und so weit wird es schon nicht kommen.

Quelle: ntv.de

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