Loveparade-Tragödie Jäger gibt Stadt und Veranstalter Schuld
04.08.2010, 07:59 Uhr
Ein von vielen Menschen beschriebenes Plakat am Gelände der Loveparade.
(Foto: dpa)
NRW-Innenminister Jäger stellt sich im Fall der Loveparade-Tragödie erneut vor die Polizei. Wenn das Sicherheitssystem eines Veranstalters funktioniere, müsse diese gar nicht erst gerufen werden. Die kommerziellen Interessen seien jedoch stark gewesen, so Jäger.
Nach dem Unglück auf der Duisburger Loveparade mit 21 Toten hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) erneut auf die Verantwortung von Stadt und Veranstalter für das Sicherheitskonzept hingewiesen. "Ich werde nicht zulassen, dass die Polizei als Sündenbock für die Fehler und Versäumnisse anderer herhalten muss", sagte Jäger bei einer Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses in Düsseldorf. Ursache für den Polizeieinsatz auf dem Veranstaltungsgelände sei das Versagen des Sicherheitskonzepts gewesen, für das der Veranstalter und die Stadt Duisburg verantwortlich gewesen seien. "Wenn das Sicherheitssystem des Veranstalters funktioniert, muss die Polizei nicht zur Hilfe gerufen werden", betonte der Minister. Er sicherte aber zu, alle Vorwürfe gegen die Polizei aufzuklären.
Jäger fügte hinzu, in Duisburg deute vieles darauf hin, dass auf der Veranstalterseite kommerzielle Erwägungen Leitlinie des Handelns waren. "Wir werden Wege finden müssen, zu unterbinden, dass an der Sicherheit gespart wird", sagte der Landesinnenminister. Notwendig seien verbesserte und verbindliche Qualitätsstandards für Sicherheitsfirmen bei Großveranstaltungen. Bundesweite Vorgaben sollten zukünftig verhindern, dass auf Kosten der Sicherheit gespart werde. Jäger regte zudem an, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden in Deutschland Richtlinien für Städte und Gemeinden bei der Sicherheitsplanung von Großveranstaltungen zu entwickeln.
Die Stadt Duisburg lehnte hingegen jede Verantwortung ab. Es lägen "keine Erkenntnisse dafür vor, dass Mitarbeiter der Stadt Duisburg ihre gesetzlichen Pflichten verletzt hätten und auf diese Weise zum Unglück beigetragen oder es gar verursacht hätten", ließ sie über eine Anwaltskanzlei erklären. Allerdings hätten vermutlich "Dritte gegen Vorgaben und Auflagen der Genehmigungen der Stadt Duisburg verstoßen". Grundlage für diese Behauptung ist eine Untersuchung, die die Stadt jedoch selbst in Auftrag gegeben hatte.
Abwahl wird wohl scheitern
Trotz massiver Rücktrittsforderungen und eines angekündigten Sammelverfahrens muss Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) unterdessen derzeit offenbar keine Abwahl fürchten. Nach jetziger Lage der Dinge werde die CDU-Fraktion einen Abwahlantrag geschlossen ablehnen, sagte CDU-Ratsmitglied Rainer Enzweiler. Falls Sauerland im Stadtrat über seine eigene Entlassung nicht mitstimmt, wäre ein Abwahlantrag bei geschlossenen Reihen seiner eigenen Fraktion und mindestens einem weiteren Votum eines Ratsmitgliedes dennoch abgelehnt. Es gebe drei Stimmen aus anderen Fraktionen, die sicher für Sauerland seien, sagte Enzweiler.
Wie auch andere Unionspolitiker legte Bundesinnenminister Thomas de Maizière dem Duisburger Oberbürgermeister einen Rücktritt nahe. Zwar sollte sich niemand hinter Sauerland verstecken. "Trotzdem weiß er wohl selber, dass er nicht im Amt bleiben kann", sagte der CDU- Politiker.
Als Lehre aus der Tragödie bei der Raver-Party sollten die Bundesländer nach Ansicht von de Maizière die Möglichkeit erhalten, Großveranstaltungen zu untersagen - wenn sie eine Kommune für überfordert halten. "Entweder sie verbieten die Veranstaltung in so einem Fall oder sie übernehmen selbst die Durchführung und Verantwortung." In Deutschland hätten Kommunen größte Erfahrung mit Großveranstaltungen, sagte de Maizière. "Aber es gibt eben auch Fälle, in denen eine Stadt sich zu viel zutraut."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP