Politik

Interview mit Asow-Kommandeur Kämpfer in Stahlwerk fordern sicheres Geleit

Das Stahlwerk werde ständig bombardiert, berichtete Palamar in einem Interview.

Das Stahlwerk werde ständig bombardiert, berichtete Palamar in einem Interview.

(Foto: REUTERS)

Im eingekesselten Stahlwerk von Mariupol wird die Lage immer dramatischer - sowohl für die verbliebenen Asow-Soldaten als auch für die Zivilisten. Aufgeben ist nach den Worten von Vizekommandeur Palamar keine Option. Er fürchtet in diesem Fall schwere Verstümmelungen oder gar den Tod für seine Kämpfer.

"Solange wir hier sind und die Verteidigung halten, gehört die Stadt nicht ihnen" - mit ihnen meint Hauptmann Swjatoslaw Palamar die russischen Soldaten. Sie haben das Stahlwerk in Mariupol eingekesselt, das als letztes Bollwerk der Verteidiger in der ukrainischen Hafenstadt gilt. In Bunkern und Tunneln unter dem riesigen Komplex sollen sich mehrere hundert Soldaten verschanzt und einige hundert Zivilisten Zuflucht gesucht haben.

Asow-Vizekommandeur Swjatoslaw Palamar

Asow-Vizekommandeur Swjatoslaw Palamar

(Foto: REUTERS)

Genaue Zahlen will der 39-jährige Palamar, Vizekommandeur des Asow-Regiments, in einem Interview, das er aus dem Stahlwerk heraus mit Reuters per Videokonferenz führt, nicht nennen. "Natürlich sind unsere Ressourcen nicht unendlich, und sie werden mit jedem Tag intensiver Kämpfe knapper. Die Lage ist schwierig, aber wir werden so lange kämpfen, wie wir müssen." Sie hätten noch Hunderte von Kämpfern, sagt Palamar.

Und erklärt zugleich, dass es mehr als 500 verletzte Kämpfer gebe, von denen sich einige in einem ernsten Zustand befänden: "Wir haben nicht die Voraussetzungen, um sie zu behandeln und wirklich schwierige Operationen durchzuführen. Die Medikamente gehen zur Neige, das Verbandsmaterial, die Lebensmittel und das Wasser."

"Taktik wie mittelalterliche Belagerung"

Die Zivilisten befänden sich in anderen Bunkern als die Soldaten. "Wir bringen ihnen Essen und überprüfen ihre Gesundheit, aber wir können aus offensichtlichen Gründen nicht bei ihnen bleiben", sagt Palamar. "Der Feind könnte eine Provokation inszenieren und behaupten, dass wir uns hinter Zivilisten versteckt haben." Ein Bunker, in dem sich auch Kinder aufhielten, sei am Dienstag von Raketen getroffen worden. Eine ältere Frau und ein Mann seien verletzt worden.

Es tobten immer noch schwere Kämpfe, sie würden ständig bombardiert, sagt Palamar. Einmal hätten die Angreifer eine Kolonne aus Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und Infanterie geschickt, die jedoch von den Verteidigern zerstört worden sei. Von unabhängiger Seite überprüfbar sind die Angaben aus den Kampfgebieten nicht.

Die Taktik der russischen Streitkräfte ändere sich ständig. "Die Taktik ist jetzt wie eine mittelalterliche Belagerung", sagt Palamar. "Wir sind eingekesselt, und sie setzen nicht mehr viele Kräfte ein, um unsere Verteidigungslinie zu durchbrechen. Sie führen Luftangriffe durch." Sein Quartier ist in der Videokonferenz nicht zu sehen, damit die russischen Angreifer daraus keine Rückschlüsse ziehen können.

Gefangennahme kommt nicht infrage

Palamar ist verheiratet, Vater eines Kindes. Der bärtige Mann mit einem durchdringenden Blick stammt aus Lwiw, lebt aber seit 2014 in Mariupol. Die Einnahme der Hafenstadt am Asowschen Meer im Süden der östlichen Industrieregion Donbass ist entscheidend für die russischen Anstrengungen, eine Landbrücke zur Halbinsel Krim zu sichern, die seit 2014 von Russland annektiert ist.

Palamar fordert die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, einen Weg zu finden, um die Zivilisten und die Soldaten im Stahlwerk zu retten. Er ruft internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder das Rote Kreuz dazu auf, als Garanten dafür zu fungieren, dass die Zivilisten das Gebiet sofort verlassen könnten. Sobald die Zivilisten in Sicherheit seien, sollten nach seinen Worten die Verwundeten und die Toten in die Ukraine zurückgebracht werden.

Für das ukrainische Kontingent fordert Palamar sicheres Geleit. Eine Gefangennahme komme nicht infrage. "Sie werden in der Gefangenschaft getötet oder verstümmelt, und deshalb schlagen wir eine dritte Partei vor, die während der Verhandlungen sicheres Geleit garantieren kann." Er bringt dafür die Türkei oder Israel ins Gespräch. Seine wichtigste Botschaft an die Welt sei es, die Bedrohung durch Russland zu erkennen: "Wir sind überzeugt, dass alles, was unsere Soldaten hier tun - nicht nur in Mariupol, sondern auf ukrainischem Gebiet - nicht nur die Ukraine, sondern auch Polen, Litauen, Lettland, Estland, Moldawien und Georgien rettet."

Quelle: ntv.de, Tom Balmforth und Margaryta Chornokondratenko, rts

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