Offene Kritik an Irans Führung Kleriker sieht Israel und USA hinter Protesten
05.01.2018, 12:10 Uhr
Regierungsfreundliche Demonstranten gab es bereits am Donnerstag im iranischen Mashhad.
(Foto: AP)
"Wir sind Arier, keine Araber", riefen im Iran manche Demonstranten in den vergangenen Tagen. Für ein Mitglied des iranischen Expertenrats sind solche Sätze keine Rufe des Volkes, sondern von ausländischen Regierungen inszeniert. Proteste gibt es weiterhin.
Ein führender iranischer Kleriker hat beim Freitagsgebet die Proteste im Land als amerikanisch-israelische Verschwörung bezeichnet. Die Demonstrationen hätten nichts mit dem iranischen Volk zu tun, sagte Ajatollah Ahmad Chatami in der Hauptstadt Teheran. Die Forderungen des Volkes, solange sie vom Volk kommen, müssten gehört und ihre Probleme gelöst werden. "Aber Stimmen im Auftrag von (US-Präsident Donald) Trump und (Israels Premier Benjamin) Netanjahu sind inakzeptabel und werden vom Volk abgewürgt", sagte Chatami.
Insbesondere die Kritik an der iranischen Nahostpolitik und die Unterstützung für arabische Staaten sind laut Chatami nicht die Stimme des iranischen Volkes. "Slogans wie 'weder Gaza noch Libanon' kommen nicht vom iranischen Volk, sondern kommen im Auftrag von Netanjahu persönlich", sagte er. Chatami ist Mitglied des iranischen Expertenrats, des führenden Gremiums der Kleriker. Er gilt als religiöser Hardliner.
Die Demonstranten hatten in den letzten Tagen mehrmals mit Slogans wie "Wir sind Arier, keine Araber" die Nahostpolitik der iranischen Regierung, die Feindseligkeiten mit den USA, die Anti-Israel-Politik sowie die Unterstützung für arabische Staaten heftig kritisiert.
In der Nacht demonstrierten Regimekritiker erneut, trotz einer Welle von Festnahmen und Drohungen der iranischen Führung. Berichten und Videos in sozialen Medien zufolge gab es Kundgebungen unter anderen in den Städten Isfahan, Sarrin Schahr, Desful und Aligudars. Manche wirkten wie kleine Sit-Ins mit Gesang, andere wie Märsche mit Hunderten Teilnehmern. Unabhängig ließen sich Berichte und Datierung nicht überprüfen. Die staatlichen Medien berichten nicht über die regimekritischen Proteste. Informationen aus Kreisen der Demonstranten werden oft unterdrückt.
Sicherheitsrat berät zu Iran
In der Hauptstadt Teheran war es wie in anderen urbanen Zentren bislang eher ruhig geblieben. Die Proteste hatten sich vor allem in ländlichen Gebieten abgespielt. In Teheran waren in der Nacht zahlreiche Polizisten auf den Straßen. Dort organisierte die Führung des Landes verschiedene Kundgebungen ihrer eigenen Anhänger: Die Behörden meldeten in 40 Bezirken der Hauptstadt Demonstrationen nach den Freitagsgebeten an. Am Mittwoch und Donnerstag waren in Städten wie Isfahan und Maschhad bereits Zehntausende Regierungsanhänger zur Unterstützung der Staatsführung auf die Straße gegangen.
Bei den regierungskritischen Protesten in mehreren iranischen Städten wurden seit dem 28. Dezember 21 Menschen getötet, unter ihnen auch mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte. Mehr als 1000 Demonstranten sollen festgenommen worden sein. Die Proteste richten sich gegen wirtschaftliche Missstände wie die hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Lebenshaltungskosten, aber auch gegen die Außenpolitik der Regierung in Teheran und das klerikale Herrschaftssystem. Der Kommandeur der Revolutionsgarden, Mohammed Ali Dschafari, hatte am Mittwoch das Ende des "Aufruhrs" verkündet.
Der UN-Sicherheitsrat wird sich in einer Dringlichkeitssitzung mit den Unruhen im Iran befassen. Das Treffen, das auf Antrag der USA stattfindet, soll um 21 Uhr MEZ beginnnen.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP