Politik

Staat oder Privat? Koalition streitet über Pflege

In Deutschland gibt es immer mehr Pflegebedürftige.

In Deutschland gibt es immer mehr Pflegebedürftige.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es ist der alte Streit um Staat und Privat. Dieses Mal geht es um die Pflegeversicherung. Die FDP fordert eine individuelle, aber verpflichtende Versicherung, die CSU lehnt dies ab. DGB und Sozialverbände sehen das ebenso.

In der schwarz-gelben Koalition gibt es Streit über die geplante Pflegezusatzversicherung. Die Darstellung des CSU-Gesundheitsexperten Johannes Singhammer, wonach eine verpflichtende individuelle Versicherung vom Tisch sei, wurde vom Bundesgesundheitsministerium dementiert.

Singhammer hatte der "Berliner Zeitung" gesagt, Ziel sei zwar weiterhin, angesichts der alternden Gesellschaft eine Kapitalreserve in der Pflege aufzubauen. Er machte zugleich aber deutlich, dass es nicht mehr um eine individuelle Vorsorge gehe, sondern um den Aufbau einer durch alle Versicherten gemeinsam gefüllten Reserve. Die Rücklage müsse so gestaltet werden, dass sie ein "kollektives Eintreten vieler beim Bedarfsfall des Einzelnen" gewährleiste. Das werde inzwischen von allen Koalitionspartnern so gesehen, fügte der Unionsfraktionsvize hinzu.

"Individualisiert und generationengerecht"

In ihrem Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und FDP die Einführung einer kapitalgedeckten Zusatzversicherung vereinbart, "die verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein muss". Weiter heißt es in dem Papier vom Oktober 2009: "Eine interministerielle Arbeitsgruppe wird dazu zeitnah einen Vorschlag ausarbeiten."

Dieses Bild der Gesundheitsexperten der Koalition (von links: Johannes Singhammer, Jens Spahn, Philipp Rösler, Ulrike Flach, Heinz Lanfermann) suggeriert Harmonie - die herrscht in der Frage der Pflege aber nicht.

Dieses Bild der Gesundheitsexperten der Koalition (von links: Johannes Singhammer, Jens Spahn, Philipp Rösler, Ulrike Flach, Heinz Lanfermann) suggeriert Harmonie - die herrscht in der Frage der Pflege aber nicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Singhammer sagte der Zeitung, ein "hoher Zwangsbeitrag für ein eigenes Vorsorgekonto ohne Ausgleich für sozial Schwächere" sei nicht gerecht. Angesichts der Haushaltsnöte gebe es aber kaum Spielraum für einen steuerfinanzierten Sozialausgleich. Zudem würden Millionen von Einzelverträgen hohe Bürokratiekosten verursachen. Im Bundestag bekräftigte er, dass die Kapitalreserve auch für sozial Schwächere finanzierbar sein müsse und eine unbürokratische Lösung gebraucht werde. Die Forderung nach einer "kollektiven" Kapitalreserve wiederholte er allerdings nicht explizit.

FDP fordert "individuelle Vorsorge"

Widerstand gegen den Vorstoß des CSU-Politikers kam von den Liberalen. Der FDP-Gesundheitsexperte Heinz Lanfermann sagte im Bundestag: "Wir brauchen eine zusätzliche Säule in der Pflegeversicherung mit Kapitaldeckungsprinzip". Er bekräftigte, dass es um individuelle Vorsorge gehe, die an den einzelnen Menschen gebunden sei. Kapitaldeckungsprinzip meint, die Pflegeversicherung soll keine Sozialversicherung nach dem Muster der Arbeitslosen- oder Krankenversicherung sein, sondern dem Modell von Lebensversicherungen entsprechen.

Ein Sprecher des FDP-geführten Bundesgesundheitsministeriums erklärte mit Blick auf die Presseberichte, es habe zur Frage der Finanzierung "noch keine politischen Beratungen gegeben". Zunächst werde gemeinsam mit Experten und Betroffenen über Verbesserungen in der Pflege diskutiert. Erst auf dieser Grundlage könnten die finanziellen Aspekte erörtert werden.

DGB sagt Nein

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und Sozialverbände forderten eine  klare Absage an eine private Pflegezusatzversicherung. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach erklärte: "Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Koalition die unsinnigen und unsozialen Pläne für eine private Pflege-Zusatzversicherung tatsächlich begraben würde." Stattdessen solle die private Pflegeversicherung in einen solidarischen Finanzausgleich einbezogen werden. Diese mache jedes Jahr Milliardenüberschüsse, weil sie hohe Beiträge von Gutverdienern erhalte, aber deutlich weniger Pflegefälle finanzieren müsse.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) sprach von einem "positiven Signal, dass die Zweifel in der schwarz-gelben Koalition an der geplanten privaten Pflegezusatzversicherung wachsen". Die Absicherung der Pflegekosten dürfe nicht den Kapitalmärkten überlassen werden, erklärte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Der Sozialverband Volkssolidarität erklärte: "Die Absicherung des Pflegerisikos muss weiterhin solidarisch erfolgen und darf nicht durch eine Privatisierung geschwächt werden."

Quelle: ntv.de, hvo/AFP

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