Widerstand aus CDU und FDP Koalition zerredet Betreuungsgeld
09.11.2011, 11:20 Uhr
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der monatelange Streit in der schwarz-gelben Koalition über das Betreuungsgeld für Kleinkinder geht auch mit der Einigung über die Einführung nicht vorbei. Aus CDU und FDP kommen kategorische Einwände. Auch über die Rahmenbedingungen herrscht kein Konsens - etwa über die Frage, ob das Geld auf Hartz IV angerechnet werden soll.
Die Einigung der schwarz-gelben Koalition auf ein Betreuungsgeld für Kleinkinder ab 2013 ist in Gefahr. In CDU und FDP regt sich Widerstand gegen das - bezeichnenderweise geäußert von Frauen. So bezweifelte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in der "Rheinischen Post" die Wirksamkeit dieser Leistungen für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen wollen: "Wenn wir Erziehungsleistungen stärker honorieren wollen, dann müssen wir darauf achten, dass diese finanzielle Anerkennung auch dauerhaft und nachhaltig ist. Dies ist bei der Barauszahlung nicht der Fall." Die Mittel für das Betreuungsgeld sollten besser genutzt werden, um die Alterssicherung, insbesondere von Frauen zu verbessern, forderte die CDU-Politikerin.
Kritik kommt auch weiter von den Liberalen: "Die FDP wollte das Betreuungsgeld nicht und wir halten es für fragwürdig", sagte die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Sibylle Laurischk (FDP), ebenfalls in der "Rheinischen Post". Es sei rechtlich problematisch, wenn jemand eine staatliche Leistung erhalten solle, nur weil er eine andere staatliche Leistung nicht in Anspruch nehme. "Es wäre besser, das Geld in die frühkindliche Bildung von Kindern zu stecken."
Die Spitzen von Union und FDP hatten sich nach langem Streit auf dem darauf verständigt, dass Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Krippe geben wollen, 100 Euro monatlich im zweiten Lebensjahr des Kindes und 150 Euro im dritten Lebensjahr erhalten sollen. Noch unklar ist, wer genau das Betreuungsgeld erhält und wie teuer die neue Leistung für den Bund wird.
Anrechnen oder nicht anrechnen?
Nach Angaben der bayerischen Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) wird das Betreuungsgeld den Bund in der Endstufe ab 2014 rund 1,45 Milliarden Euro pro Jahr kosten. In der ersten Stufe ab 2013 sei mit Kosten von deutlich unter einer Milliarde Euro zu rechnen, sagte sie der "Berliner Zeitung". Haderthauer hält es für möglich, dass Hartz-IV-Empfänger nicht in den Genuss der neuen Leistung kommen werden, weil diese auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Die Kostenrechnung gehe bislang zwar von der Auszahlung auch an Empfänger des Arbeitslosengeldes II aus. "Da Hartz-IV-Empfänger aber auch den Krippenplatz kostenlos bekommen, könnte ich es nachvollziehen, wenn man sich für die Anrechnung entschiede."
Damit stößt Haderthauer in der eigenen Partei auf Widerspruch. Der CSU-Familienpolitiker Norbert Geis sagte der "Bild"-Zeitung: "Wer sein Kind nicht in die Kita gibt, bekommt Betreuungsgeld - ohne Anrechnung." unerstützung bekommt sie dagegen aus der FDP. Deren Generalsekretär Lindner besteht ausdrücklich auf die Anrechnung.
Steinmeier wettert
Auch die Opposition kritisiert das Vorhaben weiter. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hält das Betreuungsgeld für "verantwortungslos". Er sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die Überschrift Betreuungsgeld verharmlose eine katastrophal falsche Weichenstellung in der Familienpolitik. Entgegen den Bedürfnissen junger Familien sollten jetzt finanzielle Anreize gezahlt werden, um Kinder von der Förderung in Kindergärten oder Kitas fernzuhalten.

Steinmeier und die SPD würden das Betreuungsgeld lieber in frühkindliche Bildung investieren.
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Steinmeier forderte die Regierungskoalition dazu auf, die zwei Milliarden Euro für das Betreuungsgeld ab 2013 besser in den dringend nötigen Kita-Ausbau zu stecken. "Mit zwei Milliarden Euro könnte man 55.000 Kita-Plätze finanzieren", rechnete er vor. Das würde dem den erforderlichen Schub geben.
Die Kritiker sehen sich in ihrer Forderung nach Verzicht auf das Betreuungsgeld durch internationale Vergleichsstudien bestätigt, die die Defizite frühkindlicher Förderung in Deutschland immer wieder offenbarten. Danach haben vor allem Kinder bildungsferner, meist nicht-deutscher Familien im späteren Leben deutlich geringere Bildungs- und Berufschancen, wenn sie nur Zuhause betreut werden. Während 6,5 Prozent der jungen Deutschen 2009 die Schule ohne Hauptschulabschluss verließen, waren dies bei ausländischen Jugendlichen 14 Prozent. Und das setzt sich laut Zahlen des renommierten Bildungsforschers Klaus Klemm auch bei jungen Erwachsenen fort: Unter den jungen Deutschen zwischen 20 und 30 Jahren haben 12,9 Prozent keinen Berufsabschluss, bei Gleichaltrigen mit ausländischen Wurzeln hingegen gelten 30,7 Prozent als ungelernt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP