Wer mit wem in Erfurt? So sehen die Koalitionsoptionen in Thüringen aus
02.09.2024, 09:00 Uhr Artikel anhören
Bei der Landtagswahl erlebt Thüringen umwälzende Veränderungen: Die AfD feiert den Wahlsieg, Ramelows Linke erleiden herbe Verluste. Die CDU will künftig den Regierungschef stellen. Welche Koalitionen sind rechnerisch möglich?
In der Mitte Deutschlands herrschen neue politische Machtverhältnisse: Die Alternative für Deutschland (AfD) stellt im Erfurter Landtag mit Spitzenkandidat Björn Höcke künftig die stärkste Fraktion. Die CDU folgt dahinter auf Platz 2 vor dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Die neuen Thüringer Mehrheiten lassen keine der bisher vertrauten Koalitionsoptionen zu. Zudem kommt keine der im Landtag vertretenen Partei alleine auf eine tragfähige Mehrheit. Höckes AfD ist mit ihrem als "gesichert rechtsextrem" eingestuften Thüringer Landesverband politisch isoliert. CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt erhebt Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten. Welche Koalitionen wären in Thüringen theoretisch möglich, welche Bündnisse sind politisch realistisch? Ein Blick auf den ntv.de Koalitionsrechner:
Hinweis: Die Daten zum Koalitionsrechner werden laufend aktualisiert.
Das vorläufige amtliche Endergebnis lässt keinen Raum für Zweifel: Eine etwaige Fortsetzung des bisher amtierenden rot-rot-grünen Regierungsbündnisses ist unmöglich. Die Linke, die in Thüringen mit Bodo Ramelow seit 2014 fast durchgehend den Ministerpräsidenten stellt, taucht im Landtag künftig nur noch als viertstärkste Kraft auf.
Die SPD - bisher Juniorpartner in Erfurt - sitzt künftig nur noch mit sechs Abgeordneten im Landtag. Die Grünen sind dort gar nicht mehr vertreten. Damit umfasst das Parlament des rund 2,1 Millionen Einwohner zählenden Bundeslands in den kommenden Jahren nur fünf Fraktionen.
Keine Mehrheit für Schwarz-Lila plus SPD
Die neuen Machtverhältnisse bringen die Thüringer Landespolitik jedoch in eine schwierige Lage. Keine der gewählten Parteien kommt aus eigener Kraft auf eine stabile Mehrheit. Und nur in zwei rechnerisch möglichen Kombinationen wären Zweierkoalitionen möglich: Ein etwaiges Bündnis mit der AfD ist jedoch sowohl für CDU als auch für das BSW ausdrücklich ausgeschlossen.
Politisch realistischer erscheint in Thüringen eine neuartige schwarz-lila Koalition. BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf könnte der CDU helfen, einen Weg in die Erfurter Staatskanzlei zu ebnen und Voigt ins Amt des Ministerpräsidenten zu hieven. Allerdings reichen die Mehrheit für CDU und BSW alleine nicht aus.
Ein gewichtiges Problem steht dem experimentellen Bündnis Schwarz-Lila im Weg: Mit dem BSW als einzigen Partner käme die CDU nur auf 38 der 88 Sitze. Die Schwelle zur Mehrheit liegt in Erfurt bei 45 Mandaten. Voigt muss sich also noch einen weiteren Partner suchen und dann eventuell eine schwarz-lila-rote Dreierkoalition führen - oder andere Wege wie eine neue Minderheitsregierung unter Duldung der Linken einschlagen.
Auf personeller Ebene scheinen Annäherungen zwischen Christdemokraten und BSW durchaus möglich. Die frühere Linken-Politikerin Wolf gehörte bis zu ihrem Wechsel zu Wagenknechts Bündnis zu den bekanntesten Vertretern ihrer damaligen Partei in Thüringen. Voigt schätzt die politisch erfahrene Wolf eigenen Worten zufolge als "pragmatische Kommunalpolitikerin" und sieht inhaltliche Schnittmengen mit dem BSW.
Die Thüringer Sozialdemokraten halten sich ebenfalls für Koalitionsverhandlungen bereit: SPD-Spitzenkandidat Georg Maier will eigenen Worten zufolge dazu beitragen, dass "Thüringen eine demokratische Mehrheitsregierung bekommt". Allerdings kommen die drei möglichen Partner - also CDU, BSW und SPD - in Thüringen auch zu dritt nicht auf die erforderliche Mehrheit. Eine komfortable Basis zur Regierungsbildung laut vorläufigem Endergebnis nur in einer theoretischen Vierer-Koalition möglich - zusammen mit den Linken.
Quelle: ntv.de, mit Material von AFP