Politik

RAF-Mord an Arbeitgeberpräsident Kohl bot sich als Geisel für Schleyer an

Im Jahr 1982 wurde Helmut Kohl Bundeskanzler und damit Nachfolger von Helmut Schmidt.

Im Jahr 1982 wurde Helmut Kohl Bundeskanzler und damit Nachfolger von Helmut Schmidt.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

In einem bewegenden Gespräch arbeiten Helmut Schmidt und Hanns-Eberhard Schleyer den RAF-Mord an Hanns-Martin Schleyer auf - und kommen sich etwas näher. Erstmals spricht der Altkanzler auch über ein bisher unbekanntes Detail der damaligen Ereignisse.

Schmidt und die Familie Schleyer bei der Trauerfeier für Hanns-Martin Schleyer.

Schmidt und die Familie Schleyer bei der Trauerfeier für Hanns-Martin Schleyer.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der damalige CDU-Vorsitzende Helmut Kohl wollte sich nach Darstellung von Altkanzler Helmut Schmidt während der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977 als Geisel zur Verfügung stellen. "Helmut Kohl hat damals angeboten, sich austauschen zu lassen", berichtete Schmidt in einem Gespräch, das er gemeinsam mit Schleyers Sohn Hanns-Eberhard mit dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung" führte. "Nicht ehrenhaft, es war verrückt. Die Idee, sich als Geisel gegen Hanns-Martin Schleyer austauschen zu lassen, war eine Schnapsidee."

Seine eigene Entscheidung, die Forderungen der RAF abzulehnen und den Austausch Schleyers gegen Häftlinge zu verweigern, sei zu diesem Zeitpunkt längst gefallen gewesen, sagte Schmidt. Auch im Rückblick stehe er dazu: "Ich würde wahrscheinlich genauso handeln", sagte der 94-Jährige. Die Freilassung von Terroristen im Austausch für den entführten CDU-Politiker Peter Lorenz 1975 sei ein Fehler gewesen.

In dem Gespräch mit dem Magazin sprachen Altkanzler Schmidt und Schleyer nach mehr als 35 Jahren zum ersten Mal ausführlich über die damaligen Ereignisse. Schleyers Sohn, damals 33, hatte im Deutschen Herbst alles versucht, um die Freilassung seines Vaters aus der Geiselhaft zu erwirken. Aber Schmidt hatte sich gegen einen Austausch entschieden. Schleyer drückte dem früheren SPD-Politiker jedoch seinen Respekt dafür aus, dass er bekannte, eine Mitschuld am Tod Hanns-Martin Schleyers zu haben. "Ein Trost war es nicht", so der Sohn.

"Völlig verständlich und richtig"

Schleyer sagte, es wäre besser gewesen, Schmidt hätte ihn und seine Familie von Anfang an über seine Absicht informieren lassen, nicht auf die Forderungen der Terroristen einzugehen: "Dann hätten wir uns nicht so an diese Hoffnung geklammert, dann wäre die Familie nicht so enttäuscht worden." Auf Schleyers Frage, ob man nicht vordergründig auf die Forderungen der Terroristen hätte eingehen und die ausgetauschten RAF-Terroristen in Mogadischu später festsetzen können, antwortete Schmidt, das sei für ihn keine Option gewesen: "In Wirklichkeit war meine Entscheidung, nicht auszutauschen, längst gefallen. Das hat man euch natürlich nicht erzählen wollen."

Schmidt äußerte im Interview Verständnis dafür, dass Schleyer 1977 sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen war, um die Regierung zum Einlenken zu bewegen: "Wenn ich mich an Ihre Stelle denke - was ich damals auch gemacht habe - finde ich das völlig verständlich und richtig, was Sie getan haben." Bewegt zeigte sich der Altkanzler auch über die Verleihung des Hanns-Martin-Schleyer-Preises durch die Familie Schleyer Anfang dieses Jahres: "Es hat mich sehr erleichtert, nicht mit dem Bewusstsein weiterleben zu müssen, dass die Familie Schleyer mir die damaligen Entscheidungen übelnimmt." Er habe sich immer mitschuldig am Tode Schleyers gefühlt, so Schmidt.

Quelle: ntv.de, jmü/dpa

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