Trotz Gewalt und Festnahmen Kremlgegner rüsten sich
06.03.2012, 14:07 Uhr
Die russischen Sicherheitskräfte sind nicht zimperlich.
(Foto: AP)
Mit harter Hand gehen Russlands Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle vor. Viele werden inhaftiert und verletzt, doch die Sicherheitskräfte betonen, sie seine "humaner" als manche westliche Kollegen. Es gibt bereits Befürchtungen, dass Putin die Daumenschrauben wieder anzieht. Trotzdem wollen die Demonstranten weiter protestieren.

Putin feiert seinen Sieg.
(Foto: AP)
Nach der gewaltsamen Auflösung von Protesten gegen den frisch gewählten russischen Präsidenten sowie mehr als 600 Festnahmen rüstet sich die Opposition für neue Aktionen. Bei einer Großkundgebung wollen die Gegner von Regierungschef Putin in Moskau an diesem Samstag erneut 50.000 Menschen auf die Straße bringen. Das teilte Organisator Sergej Udalzow mit.
Bei einem Treffen mit Unterstützern reagierte Putin gelassen auf die Straßenaktionen. "Das ist ein Element des politischen Kampfes. Mit den Wahlen hat das nichts zu tun", sagte Putin nach Angaben der Agentur Interfax. Gleichwohl forderte der 59-Jährige erneut, die Betrugsvorwürfe aufzuklären. "Verstöße gab es natürlich", räumte der Ex-Geheimdienstchef ein. Sie müssten aufgeklärt und ausgeräumt werden.
Nach einer Massenkundgebung in Moskau gegen die von überschattete Präsidentenwahl war Udalzow mit rund 250 anderen Demonstranten am Montag vorläufig festgenommen worden. In St. Petersburg waren 370 Putin-Gegner zeitweilig im Polizeigewahrsam. Gegen die Teilnehmer der Kundgebung seien Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht eingeleitet worden, hieß es.
"Humaner" als westliche Kollegen?
Der Milliardär , der bei der Präsidentenwahl am Sonntag verloren hatte, verurteilte die Polizeigewalt. Die Demonstranten seien völlig friedlich gewesen. Dagegen sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow, dass die Polizei sich an die Gesetze gehalten habe. Die Sicherheitskräfte selbst betonten, sie seien "humaner" gewesen als manche ihrer westlichen Kollegen.
Mehrere Kundgebungsteilnehmer klagten über Verletzungen, darunter vor allem Prellungen. Dies war aus Sicht von Kommentatoren ein erstes Zeichen dafür, dass Putin die Daumenschrauben wieder fester anziehe. Im Wahlkampf waren die Massenproteste ohne Zwischenfälle abgelaufen. "Die Forderung nach ehrlichen und freien Wahlen wird aber von Putin nun als Versuch einer gewaltsamen Machtübernahme eingestuft", kritisierte der Oppositionspolitiker und frühere Schachtweltmeister Garri Kasparow.
Bei den Protesten gegen Putin waren nach Kasparows Angaben allein in Moskau 30.000 Menschen auf die Straße gegangen. Die Polizei sprach von nur 14.000 Teilnehmern, weniger als bei einer anderen Kundgebung zur Unterstützung des Regierungschefs, der im Mai sein neues Amt antreten will. Putin war nach Angaben der Wahlleitung mit 63,6 Prozent der Stimmen zum Kremlchef gewählt worden. Er will nach zwei Amtszeiten von 2000 bis 2008 zum dritten Mal als Präsident regieren.
Ein Gericht in Moskau ordnete unterdessen für zwei 22 und 23 Jahre alte Frauen Untersuchungshaft bis Ende April an. Sie sollen als vermummte Mitglieder der Punk Band Pussy Riot in der Moskauer Erlöserkathedrale unlängst gegen Putin protestiert haben. Der Vorwurf lautet auf Rowdytum.
Lob aus China und Italien
Die kremltreue Boulevardzeitung "Komsomolskaja Prawda" veröffentlichte ein Interview mit dem früheren italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi, der seinen Freund lobte. "Putin ist eine extraordinäre, eine einfache und bescheidene Person mit großen menschlichen Eigenschaften und starkem Freundschaftsgefühl", hieß es in dem Blatt. "Er hat viel für sein Land getan und wird auch in Zukunft eine ausschlaggebende Rolle spielen. Der Übergang von Totalitarismus zu Demokratie ist eine langwierige Aufgabe. Aber er hat es geschafft, bei ihrer Erfüllung voranzukommen."
China gratulierte Putin zur "reibungslosen" Wahl. Während der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking sagte Außenminister Yang Jiechi, der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao habe Putin einen persönlichen Glückwunsch übermittelt. China wolle die Partnerschaft und die Zusammenarbeit mit Russland ausbauen. Auch die Zusammenarbeit im Rahmen der Shanghai Kooperationsorganisation (SCO) mit mehreren zentralasiatischen Staaten solle ausgeweitet werden, sagte Yang Jiechi.
Internationale Wahlbeobachter hatten am Montag die Wahl als ungerecht und unfair kritisiert. In jedem dritten Wahllokal seien bei der Auszählung Unstimmigkeiten festgestellt worden, teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit. Demokratische Standards, zu denen sich Russland als Europaratsmitglied verpflichtet habe, seien nicht voll erfüllt worden, hieß es.
Russland braucht Reformen
Auch der Russlandexperte von der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau nannte die Wahlen unfair. "Putin hat alle Möglichkeiten gehabt, um zu kontrollieren, wer kandidieren darf, wer in den Medien wie erscheinen darf und wie über ihn berichtet wurde", sagte Siegert n-tv.de. "70 Prozent aller Fernsehbeiträge über die Kandidaten zeigten Putin und dann meist in einem positiven Licht. Der Rest blieb für die anderen vier und über sie wurde hauptsächlich negativ berichtet." Jetzt komme Putin um Reformen nicht herum, wenn das Land nicht zurückfallen soll.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa