Piraten, Radfahrer und Gauweiler "Länder Europas viel zu unterschiedlich"
07.10.2011, 10:17 UhrDie stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär sieht der Wahl zu den stellvertretenden CSU-Vorsitzenden, zu der auch Euro-Gegner Peter Gauweiler kandidiert, gelassen entgegen. Gauweiler sei "ein hochintelligenter Kopf", sagt Bär. "Ich bin ganz sicher, dass die Delegierten genau wissen, wer gut ist für diese Partei". Sie betonte, die "überwiegende Mehrheit" der CSU-Mitglieder sei "pro-europäisch eingestellt". Mit Blick auf das vor allem zwischen CSU und FDP umstrittene Betreuungsgeld kündigte sie einen Kompromiss noch für das laufende Jahr an.
n-tv.de: Sie haben sich über Twitter mit Christopher Lauer von der Piratenpartei zum Sushi-Essen verabredet. Hatten Sie schon persönlichen Kontakt zu Piraten?

Die CSU trifft sich zum Parteitag.
(Foto: dpa)
Dorothee Bär: Ich hatte schon oft Kontakt zu Piraten, sowohl zum bayerischen Landesvorsitzenden als auch zum Bundesvorsitzenden, und auch zu Christopher Lauer.
Und wie finden Sie die?
Das sind politische Mitbewerber, und als solche sind sie natürlich auch zu behandeln. Aber in Fragen der Netzpolitik stimmen wir dann doch in vielen Punkten überein. Das gilt aber auch für meine Kollegen von anderen Parteien, die sich mit Netzpolitik auseinandersetzen.
Am Mittwoch hat die Piratenpartei in der Bundespressekonferenz ihre bundespolitischen Ziele vorgestellt, dabei sind sie auch gefragt worden, mit wem sie nicht koalieren wollen. Spontan fiel ihnen da die CSU als die Partei ein, die beim Internet immer nur ans Verbieten denkt. Ärgert Sie so etwas?
Denen ist natürlich deshalb als erstes die CSU eingefallen, weil wir in Bayern nicht in die Verlegenheit kommen werden, eine Koalition mit den Piraten einzugehen.
(lacht) Ich glaube, so haben sie es nicht gemeint.
(lacht auch) Aber so mein' ich das.
Sie sind Mitglied der Europa-Union, man kann also davon ausgehen, dass Sie eher pro-europäisch denken. Wie vertreten Sie diese Position an der CSU-Basis?
Ach, das ist gar nicht schwer: Wir in der CSU wollen das Europa der Regionen, wir wollen die Dinge, die am besten vor Ort gelöst werden können, auch dort lösen. Aber natürlich wollen wir auch die Zukunft der europäischen Union. Ich komme aus einer Generation, die nicht nur die Gnade hatte, die Wiedervereinigung zu erleben, sondern meine Generation ist schon die zweite, die keinen Krieg im eigenen Land erleben musste. Und wir wissen, dass alles dafür getan werden muss, um diese Friedensunion Europa zu bewahren.
Im Leitantrag des CSU-Vorstands an den Parteitag heißt es, die CSU spreche sich gegen eine weitere Übertragung von Kompetenzen auf die europäische Ebene aus, zugleich sollen gegen Defizitsünder Sanktionen erlassen und die Wirtschaftspolitiken besser aufeinander abgestimmt werden. Wie geht das zusammen - gleichzeitig mehr und weniger Europa?
Es ist ja kein Geheimnis, dass wir keine Transferunion wollen. An bestimmten Stellen sollte man Europa einfach nicht überfordern. Die Vereinigten Staaten von Europa, die einige in jüngster Zeit als Vision ausgegeben haben, das ist nicht unser Ziel.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hat kürzlich im "Spiegel" gesagt, ihr Ziel seien die "Vereinigten Staaten von Europa - nach dem Muster der föderalen Staaten Schweiz, Deutschland oder USA".
Ich sehe nicht, dass das funktionieren würde, dafür sind die einzelnen Länder Europas viel zu unterschiedlich - nicht nur aufgrund ihrer Sprachen, auch von ihrer Geschichte her.
In Nürnberg kandidiert Ihr Fraktionskollege als stellvertretender Parteichef. Wäre das das richtige Signal für die Zukunft der CSU, ein 62-jähriger Dauerquerulant, Euro-Gegner und Europa-Skeptiker?
Zunächst einmal ist Peter Gauweiler ein hochintelligenter Kopf. Dann sind wir eine Volkspartei in der es eine Vielzahl an Positionen gibt. Die Meinung, die ich in der Netzpolitik vertrete, ist sicher nicht deckungsgleich mit der Meinung der Senioren Union Bayerns. Diese Bandbreite macht uns aus. Wir sagen nicht, wie die Piraten am Mittwoch in der Bundespressekonferenz bei jedem Thema, da haben wir keine Ahnung, sondern wir haben Experten in jedem Bereich. Das heißt aber auch, dass wir die Bandbreite von 160.000 Mitgliedern zusammenbringen müssen. Ich bin ganz sicher, dass die Delegierten eine gute Entscheidung treffen werden bei der Wahl.
Also doch Schwarmintelligenz wie bei den Piraten.
Für vier Positionen haben wir fünf Kandidaten. Auch bei den Beisitzern wird es mehr Kandidatinnen und Kandidaten geben als Plätze zu vergeben sind. Das macht den Parteitag spannend, vor allem aber finde ich das einen Ausdruck für unsere innerparteiliche Demokratie. Das will auch unsere Basis: eine Auswahl treffen können. Unsere Delegierten fahren nicht zum Abnicken zu einem Parteitag. Das mag bei anderen Parteien so sein, bei der CSU definitiv nicht.
Eine Frage zum Betreuungsgeld: Die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer forderte vor knapp drei Wochen, der Staat solle Eltern, die ihr Kind zu Hause betreuen, monatlich 500 Euro zahlen. Ich muss gestehen, als ich das gelesen habe, dachte ich, das ist ein sehr verrückter Vorschlag.
Christine Haderthauer hat nicht 500 Euro Betreuungsgeld gefordert, sondern hat zur Veranschaulichung gesagt, wenn man immer von Gerechtigkeit spricht, dann müsste man, wenn ein Krippenplatz mit 900 bis 1000 Euro aus Steuergeldern subventioniert wird, den Eltern, die keinen solchen Platz in Anspruch nehmen, eigentlich 500 Euro als Ausgleich zahlen.
Ich möchte mal den Verkehrsminister sehen, der ausrechnet, was ein Radfahrer "eigentlich" bekommen müsste, weil er keine Autobahnen benutzt.

Dorothee Bär ist CSU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Generalsekretärin ihrer Partei.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der Fahrradfahrer tut nichts für die Demographie in diesem Land, und der Fahrradfahrer fällt auch nicht unter Artikel 6 des Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter besonderen Schutz des Staates stellt. Die Frage ist doch: Wer sichert den Fortbestand einer Gesellschaft? Und das sind nicht Fahrradfahrer, sondern die Menschen, die Kinder in die Welt setzen. Wir sind jetzt beim Betreuungsgeld auf einem guten Weg.
Bisher gab es vor allem zwischen CSU und FDP keine Einigung.
Ich will nicht zu viel verraten, aber ich bin sicher, dass wir es möglich machen können, dass es eine Anerkennung der Erziehungsleistung geben wird, wie wir das auch im Koalitionsvertrag versprochen haben.
Gibt es schon einen Zeitplan?
2012 müssen wir das auf den Weg bringen. Die großen Leitplanken werden Ende dieses, Anfang nächsten Jahres ins Gesetzgebungsverfahren gehen.
Wer kümmert sich eigentlich um Ihre zwei kleinen Kinder, wenn Sie unterwegs sind?
Bei uns macht das die Großfamilie.
Mit Dorothee Bär sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de