Politik

Alles schon klar an der Saar? Lafontaine hofft auf Ypsilanti-Effekt

Heiko Maas und Oskar Lafontaine: Laut SPD trennen die beiden Welten.

Heiko Maas und Oskar Lafontaine: Laut SPD trennen die beiden Welten.

(Foto: dpa)

Die Machtfrage in Saarbrücken scheint schon vor der Landtagswahl beantwortet. Es gibt eine Große Koalition, so das erklärte Ziel. Doch womöglich haben SPD und Union da die Rechnung ohne den heimlichen Herrscher im Saarland gemacht: Oskar Lafontaine. Wenn sich die beiden Großen nämlich wieder nicht einigen, droht ein neues Ypsilanti-Desaster.

Farbloser Wahlkampf an der Saar: CDU-Spitzenkandidatin Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Merkel.

Farbloser Wahlkampf an der Saar: CDU-Spitzenkandidatin Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Merkel.

(Foto: REUTERS)

Wussten Sie es? Am Sonntag wählen die Saarländer ihr Parlament neu. Die Parteien werben in dem von Berlin aus weit entfernten Bundesland mit politischem Spitzenpersonal um Stimmen: Kanzlerin Angela Merkel von der CDU war schon da, für die SPD reiste Hamburgs Wahlsieger Olaf Scholz an. Notiz nimmt davon allerdings kaum jemand. Die erst auf Mitte Mai terminierte Neuwahl in Nordrhein-Westfalen, wo vergangene Woche die rot-grüne Minderheitsregierung zerbrach, packt da schon deutlich mehr Menschen.

Kein Wunder: Das Saarland ist Provinz. Nicht nur, dass das kleinste Flächenland für niemanden, der durch Deutschland reist, auf dem Weg liegt. Auch politisch ist im Südwesten der Hund begraben. Wer hat schon von einem Heiko Maas gehört, dem Mann von der SPD, der nach der Wahl am 25. März die Regierung im Saarland in Zukunft anführen könnte? Und wer weiß schon, von wem er den Posten des Ministerpräsidenten übernehmen würde und wer ihn versucht, zu verteidigen? Annegret Kramp-Karrenbauer. Nein, glamourös geht es an der Saar wirklich nicht zu.

Nur einmal hat das Saarland politisch jüngst für Furore gesorgt. Mit der Wahl 2009 hat sich ein Experiment durchgesetzt, dass es so bislang nicht gegeben hatte. CDU, FDP und Grüne bildeten gemeinsam eine Regierung, die erste "Jamaika-Koalition" der Republik war geboren. Zuletzt war von karibischer Leichtigkeit allerdings nichts mehr zu spüren. Anhaltende Querelen bei den Liberalen führten zum Bruch. Die Protagonisten: Kramp-Karrenbauer und ein FDP-Fraktionschef im Saar-Landtag namens Christian Schmitt. Noch nie gehört?

Lafontaine hat bei der SPD Scherben hinterlassen

Der "Saar-Napoleon" und seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht.

Der "Saar-Napoleon" und seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Starqualitäten hat nur ein Saarländer: Oskar Lafontaine. Er ist der Hoffnungsträger der Linkspartei, seine Popularität im Land ungebrochen. Er war zehn Jahre lang, von 1976 bis 1985, Oberbürgermeister von Saarbrücken. Es schloss sich eine 13 Jahre andauernde Regentschaft als Landesvater an. Ihm ist zu verdanken, dass das Saarland ein Standort für die Stahlindustrie blieb, dass das Land einen Teil seiner Schulden los wurde. Und er war vor allen Dingen immer ein volksnaher Politiker, dem die Menschen ein Format zugeschrieben haben, dass das Saarland selbst eigentlich nicht hat.

Von der Kassiererin bis zum Intellektuellen - Lafontaine hat Fans in allen Schichten. "Dafür hat damals der Oskar gesorgt", ist fast schon ein geflügeltes Wort im Saarland. "Er ist ein Politiker von bundesdeutscher, ja europäischer Bedeutung", schwärmt einer seiner Wegbegleiter, der Linken-Abgeordnete und Wirtschaftsprofessor Heinz Bierbaum. "Das hat das Saarland ein ganzes Stück nach vorne gebracht."

Doch Oskar Lafontaine hat ein Problem: Er ist nicht mehr in der SPD. 1998 zog der oft als "Saar-Napoleon" titulierte Politiker aus dem Saarland aus, um die Bundespolitik zu erobern. Bei der Wahl im Saarland 1999 verloren die Sozialdemokraten nach 13 Jahren die Macht und mussten der Union das Feld räumen. Mancher Genosse trägt Lafontaine das bis heute nach.

Wunschkonstellationen sind nicht möglich

Heiko Maas könnte Ministerpräsident im Saarland werden. In der Republik ist er dennoch weitgehend unbekannt.

Heiko Maas könnte Ministerpräsident im Saarland werden. In der Republik ist er dennoch weitgehend unbekannt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Und dann kam auch noch der Bruch. Die Schröder-SPD rückte dem 68-Jährigen zu weit in die Mitte, Lafontaine wird erst zum Privatier und schließt sich dann der WASG an, der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit. Der Sozialdemokratie hat das und die spätere Fusion mit der PDS zur Linkspartei Schmerzen bereitet. Vor allem, weil die Integrationsfigur Lafontaine an vorderster Front mittat.

Tatsächlich: Die PDS rangierte im Saarland 1999 und 2004 in unbedeutenden Gefilden, holte 0,8 und 2,3 Prozent. Als sich Oskar vor den Karren spannte, gelangen aus dem Stand 21,3 Prozent. Damals zog die Linkspartei zum ersten Mal in einem westdeutschen Bundesland in den Landtag ein.

Kein Wunder, dass die SPD jetzt auf stur stellt. Dabei ist Rot-Rot eine der rechnerischen Möglichkeiten, die sich im Saarland wohl ergeben könnten. Umfragen zufolge liegen SPD und CDU etwa gleichauf vorne. Sie könnten sich dann jeweils Partner für eine Regierung aussuchen. Der SPD ist traditionell ein Bündnis mit den Grünen am liebsten. Doch die rangieren in der Wählergunst um die fünf Prozent. Einzug in den Landtag: fraglich. Und selbst wenn es reicht: Rot-Grün käme dann wohl auf keine Mehrheit.

Maas will sparen, Linke nicht

Die letzten Umfragewerte (Stand: 16.3.)
CDU34 Prozent
SPD34 Prozent
Linke15 Prozent
Piraten6 Prozent
Grüne5 Prozent
FDP2 Prozent
Sonstige4 Prozent

Der Union wiederum, und das ist ja ein bundesweit zu beobachtendes Phänomen, geht der gewohnte Partner flöten. Auch im Saarland drohen die Liberalen an der Minderheitsklausel zu scheitern, aktuell haben nur zwei Prozent der Wähler an der Saar vor, der FDP ihre Stimme zu geben. Und selbst wenn es doch mit dem Verbleib im Parlament klappt: Auch eine schwarz-gelbe Mehrheit liegt in weiter Ferne.

Spannend machen die Wahl im Saarland erneut die Piraten. In Wählerbefragungen sind sie auf aufsteigendem Ast, kommen vermutlich ins Parlament. Damit könnte die noch junge Partei das Spektrum an der Saar gehörig aufwirbeln.

Bleiben realistisch betrachtet wohl zwei Möglichkeiten: eine Große Koalition oder ein Bündnis mit den Linken. Doch: "Selbst wenn es eine mathematische Mehrheit gäbe, mit den Linken zu regieren, gibt es definitiv keine politische Mehrheit", so Maas, der in seiner politischen Jugend bei der SPD noch von dem nun übergelaufenen Lafontaine gefördert worden ist. Der offizielle Grund: Die Linken wollen den Landeshaushalt nicht auf die Schuldenbremse hin trimmen. In Wahrheit dürften aber vielmehr verletzte Gefühle eine Rolle spielen.

Schwarz-gelber Flirt auf wackeligem Fundament

Lafontaine setzt trotzdem alles auf eine Zusammenarbeit mit seinen einstigen Genossen. Er hofft, dass die SPD endlich "zur Vernunft" komme und auf seine Avancen eingeht. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Die etwas über eine Million Saarländer werden sich mit dem Gedanken anfreunden müssen: Der beliebte Lafontaine ist ohne Linkspartei nicht zu haben. Ohne die SPD aber auch nicht – und die will bei einem rot-roten Bündnis nicht mitspielen.

Im drögen Saarland wird damit wohl das Erwartbare eintreten. Kramp-Karrenbauer und Maas werden sich in einer Großen Koalition zusammenschließen. Das liegt daran, dass die beiden ein intaktes Verhältnis zueinander pflegen. Aber vor allen Dingen daran, dass es schlicht an attraktiven Alternativen fehlt.

Wie sie sich arrangieren können, ist fraglich. Inhaltlich grün sind sich Maas und Kramp-Karrenbauer eigentlich nicht. Schon nach dem Aus von Jamaika sondierten die beiden stundenlang, um eine gemeinsame Regierung zu bilden. Einigen konnten sie sich allerdings nicht. Und das lag nicht allein daran, dass die SPD Lunte roch, womöglich bei einer Neuwahl vorne zu liegen und den Ton angeben zu können.

Vielleicht, so unkt mancher Saar-Linker schon, kommt dann ja doch noch der zweite Frühling für Oskar Lafontaine und Maas zieht doch die unliebsame Option, mit Links zu koalieren. Was solch ein linker Triumph durch die Hintertür allerdings für die SPD bedeuten würde, kann eine Frau aus Hessen den Genossen an der Saar genau erklären: Andrea Ypsilanti.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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