Politik

"Risiko zu groß" Lammert: Besser kein NPD-Verbot

Diesmal muss das Verbotsverfahren hieb- und stichfest sein.

Diesmal muss das Verbotsverfahren hieb- und stichfest sein.

(Foto: dapd)

Die Bundesländer wollen geschlossen ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD, Kanzlerin Merkel zögert noch. Bundestagspräsident Lammert hält mit seiner Meinung indes nicht hinterm Berg. Er rät von einem neuen Versuch ab. Die extreme Partei sei schwach.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat sich gegen einen NPD-Verbotsantrag von Bundestag und Bundesrat ausgesprochen. Das angestrebte Verbotsverfahren sei "nicht durchdacht" und lediglich ein "Reflex" auf die Mordanschläge der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), sagte Lammert der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er habe Zweifel, ob die von den Landesinnenministern zusammengestellte Materialsammlung für ein Verbot ausreiche. "Man soll es besser bleiben lassen", urteilte der CDU-Politiker.

Diese Auffassung habe er in Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen erläutert, sagte Lammert. Das Risiko, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Verbot des Bundesverfassungsgerichts aufhebe, sei groß. Der Bundestagspräsident hob hervor, der politische Einfluss der NPD sei "selten so gering wie heute" gewesen. Eine "akute Bedrohung der Demokratie", wie es die europäische Rechtsprechung fordere, könne für Deutschland nicht plausibel erklärt werden.

Lammert warnte, die rechtsextreme Szene in Deutschland sei weitaus größer und relevanter als die NPD selbst, so dass ein Verbot der NPD wenig ausrichten würde. Außerdem könne das Verbotsverfahren schon 2013 beendet werden. Der NPD würde damit das "famose Silbertablett" geliefert, als ausdrücklich nicht verbotene Partei in den Bundestagswahlkampf zu ziehen, gab Lammert zu bedenken. Mit einem Verbotsverfahren in Karlsruhe wachse zudem die Gefahr, "die latent rechtsextremen Wähler in ein Solidaritätsverhalten mit der NPD zu treiben".

Rechtliche Bedenken

Auch die Bundesregierung zögert. Sie lässt sich bis zum nächsten Jahr Zeit mit ihrer Position zu einem neuen Verfahren. Die Entscheidung dazu werde im ersten Quartal 2013 fallen, sagte Bundeskanzlerin Merkel. Die Bundesregierung habe das Votum der Länder-Regierungschefs mit Verständnis zur Kenntnis genommen. Sie betonte aber: "Wir haben unsere Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen." Es gebe einige rechtliche Risiken. Die Regierung werde nun dem Bundestag die gut 1000 Seiten starke Materialsammlung gegen die NPD zukommen lassen.

Knapp zehn Jahre nach dem ersten gescheiterten Versuch wollen die Länder einen neuen Anlauf starten. Die Ministerpräsidenten sprachen sich geschlossen dafür aus, in Karlsruhe ein neues Verbotsverfahren einzuleiten. Hessen und das Saarland hielten ihre Bedenken aber erneut in einer Protokollnotiz fest. Der Bundesrat könnte das Thema bereits in seiner nächsten Sitzung am 14. Dezember auf die Tagesordnung setzen.

Mit ihrem Votum folgten die Ministerpräsidenten der Empfehlung ihrer Innenminister: Die Ressortchefs hatten einstimmig für einen neuen Verbotsantrag plädiert. Auch dort hatten Hessen und Saarland ihre Bedenken geäußert, den Vorstoß aber mitgetragen.

Kretschmann: Zur Wehr setzen

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, er sehe keine Existenzberechtigung für eine Partei, die sich auf Vorväter berufe, die Deutschland in eine Katastrophe geführt hätten. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) mahnte: "Eine wehrhafte Demokratie muss sich gegen solche Parteien zur Wehr setzen." Die Befürchtung, dass die NPD durch einen Verbotsantrag aufgewertet werden könnte, halte er für abwegig.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte Bundestag und Bundesregierung auf, sich einem neuen Anlauf anzuschließen. "Wir haben ein großes Interesse daran, dass hier nicht ein Verfassungsorgan allein agiert", sagte er. Auch die SPD machte Druck und forderte die Bundesregierung auf, das Vorhaben der Länder zu unterstützen. Parteichef Sigmar Gabriel kommentierte auf seiner Facebook-Seite, die Bundesregierung müsse ihr peinliches Lavieren nun beenden.

Die Länder haben bereits angekündigt, notfalls auch alleine nach Karlsruhe zu ziehen. Formal genügt der Antrag eines Verfassungsorgans - also von Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung.

Quelle: ntv.de, jmü/dpa/AFP

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