Diskussion nach Minarett-Entscheidung Laschet gegen Religions-Voten
01.12.2009, 08:38 UhrDer Schweizer Volksentscheid gegen Minarette sorgt in Deutschland weiter für Diskussionen. So spricht sich Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet generell gegen Abstimmungen über Religionsfragen aus.
"Ich möchte nicht, dass da abgestimmt wird über den Bau von Kirchen oder über Glockengeläut am Sonntagmorgen", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Oder sollen wir in Deutschland über den Bau von Synagogen abstimmen?" Die Mehrheiten wären seiner Ansicht gleichermaßen erschreckend.

Das Minarett der im Bau befindlichen Esslinger Moschee vor der Kuppel der griechisch-orthodoxen Kirche "Mariä Verkündigung".
(Foto: dpa)
Laschet kritisierte, die Volksabstimmung sei auf die Frage der Minarette verkürzt worden. In die Entscheidung hätten sich aber Sorgen vor Fundamentalismus, Zwangsheiraten und Arbeitsplatzverlust gemischt. Dies zeige, wieso Volksabstimmungen zu derart komplexen Themen falsch seien. Er finde es hilfreich, dass in Deutschland die Religionsfreiheit auch als Minderheitenrecht nicht zur Disposition stehe, sagte der Minister. Gleichzeitig ermunterte er die in Deutschland lebenden Muslime, ihren Glauben zu erklären, wie dies zunehmend geschehe.
Am Sonntag hatte sich in der Schweiz bei einer Volksabstimmung eine überraschend klare Mehrheit von 57,5 Prozent gegen den Bau von Minaretten ausgesprochen. Dieses Abstimmungsergebnis war selbst von der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die das Referendum mit initiiert hatte, nicht erwartet worden.
"Ich habe mich geärgert und war traurig"
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück (CSU), kritisierte die Schweizer Volksabstimmung. Er sagte im Deutschlandfunk: "In der Schweiz ist eine Stimmung geschürt worden, die ungeheuer schädlich ist für das Zusammenleben der Menschen." In Deutschland sei man in dieser Frage "deutlich weiter". Glück räumte ein: "Natürlich gibt es immer wieder auch Konflikte, vor allem dort, wo sehr große Moscheen gebaut werden." Generell sei der Moscheebau in Deutschland aber ein Ausdruck von Religionsfreiheit. "Eine überwiegende Mehrheit der Muslime in Deutschland teilt unsere Werte."
Auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, kritisierte das Votum. Er sagte im Deutschlandradio Kultur: "Ich habe mich geärgert und war traurig." Die Schweizer seien rechtspopulistischen Parolen auf den Leim gegangen. "Nach deutschem Verständnis ist das ein eindeutiger Eingriff in die Religionsfreiheit", kritisierte Montag. In Deutschland hätte ein Volksentscheid über ein solches Thema nicht stattfinden dürfen. Dabei sprach sich Montag generell für mehr direkte Demokratie aus. Man könne im Gesetzgebungsverfahren sicherstellen, dass Rechtspopulisten nicht davon profitieren.
"Das Volk kann sich ja auch irren"
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sieht im Schweizer Volksentscheid indes kein Argument gegen mehr Bürgerbeteiligung. "Demokratie ist riskant. Das Volk kann sich ja auch irren", sagte er der "Frankfurter Rundschau". Der SPD-Politiker will diese Wahlperiode nutzen, um Volksentscheide und Volksbegehren auf Bundesebene durchzusetzen. Die SPD wolle dafür ein breites Bündnis in der Gesellschaft versammeln. "Steuerfragen, Themen des Datenschutzes, aber auch der Inneren Sicherheit eignen sich meines Erachtens für solche Entscheide." Die Politik müsse den Bürgern mehr zutrauen, sagte Wiefelspütz.
Minarettverbot könnte Menschenrecht verletzten
Nach Ansicht der Vereinten Nationen könnte das Bauverbot gegen die Menschenrechte verstoßen. Das erklärte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, in Genf. Das Verbot "riskiert, das Land auf einen Kollisionskurs mit den Verpflichtungen zu internationalen Menschenrechten zu bringen".
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP