Streiks lähmen Großraum Paris Macrons oberster Rentenreformer tritt zurück
16.12.2019, 17:37 Uhr
Seit zwölf Tagen in Folge bringt Macrons Rentenreform die Franzosen auf die Straße. Eine Auszeit zu Weihnachten ist nicht in Sicht.
(Foto: imago images/Hans Lucas)
Es ist nicht irgendein Beamter, den Frankreichs Präsident da verliert: Inmitten von Massenstreiks muss ausgerechnet sein Renten-Beauftragter zurücktreten, weil er sich allzu üppig mit Nebenjobs versorgt hat. Derweil streiken inzwischen auch die Lkw-Fahrer gegen Macrons Reformprojekt. Paris versinkt im Stau.
Schwere Schlappe für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Nach zwölftägigen Streiks und Protesten gegen die Rentenreform ist sein Renten-Beauftragter Jean-Paul Delevoye zurückgetreten. Das teilte der Elysée-Palast in Paris mit. Macron nehme den Rücktritt des Hohen Kommissars für die Rentenreform "mit Bedauern" an. Der 72-Jährige hatte verschiedene bezahlte und unbezahlte Tätigkeiten und Mandate nicht offiziell angegeben. Gewerkschaften und Opposition warfen Delevoye deshalb illegale Ämterhäufung und einen Interessenkonflikt vor.

Illegale Ämterhäufung, Interessenkonflikte: Jean-Paul Delevoye wird den Franzosen die umstrittene Rentenreform nicht mehr verkaufen können.
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Delevoye begründete seinen Rücktritt mit dem "geschwächten Vertrauen" in seine Person. Er bezeichnete sich zugleich als Opfer von "gewaltsamen Angriffen und einem Gemisch aus Lügen". Dies schade der Rentenreform, die "unerlässlich für Frankreich" sei. Macron hatte den früheren Minister von Präsident Jacques Chirac im September 2017 berufen, um die Rentenreform auszuarbeiten. Sie ist eines der zentralen Wahlkampfversprechen des französischen Präsidenten.
Seit einer Woche brachten Medienenthüllungen Delevoye zunehmend in Bedrängnis: Erst am Wochenende hatte er seine offizielle Erklärung nachgebessert. Bei der Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben müssen alle Regierungsmitglieder ihr Einkommen offenlegen. Danach hatte er 13 Ämter und Tätigkeiten inne, von denen zwei bezahlt waren. Allein als Chef eines Think Tanks verdiente er demnach monatlich mehr als 5000 Euro, und das auch nach seinem Eintritt in die Regierung in diesem September. Das ist laut französischer Verfassung illegal.
Opfer von verschärften Transparenz-Gesetzen
Die Rechtspopulistin Marine Le Pen kritisierte auf Twitter, Macrons Umfeld habe zu lange an einem "schuldigen Mann" festgehalten. Macron selbst hatte zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident die Transparenz-Gesetze verschärft. Die Gewerkschaft CGT erklärte, nun müsse Macron die umstrittene Reform zurückziehen.
Delevoye sollte die Pläne ab Ende Februar im Parlament verteidigen, nachdem er monatelang mit den Sozialpartnern verhandelt hatte. Sie sehen vor, dass die Franzosen künftig erst mit 64 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können statt wie bisher mit 62. Zudem sollen Vorzugsrenten etwa bei der Bahn und beim Pariser Nahverkehr abgeschafft werden.
Heftiger als Gelbwesten-Krise: Betroffen ist der Nahverkehr
Gegen die Rentenreform gibt es die bisher massivsten Proteste in Macrons gut zweieinhalbjähriger Amtszeit. Zu Beginn der Protestwelle am 5. Dezember waren mehr als 800.000 Menschen gegen die Reform auf die Straße gegangen. Das sind fast drei Mal so viele wie in der "Gelbwesten"-Krise vor einem Jahr. Seitdem kommt es täglich zu Ausständen im öffentlichen Dienst. Betroffen sind vor allem die Bahn und der Pariser Nahverkehr. Auch viele Zugverbindungen nach Deutschland wurden gestrichen.
Erstmals folgten nun auch Lkw-Fahrer einem Aufruf der Gewerkschaften. Mit "Schneckentempo"-Aktionen sorgten sie auf Nationalstraßen und Autobahnen rund um Städte wie Straßburg, Lyon und Toulouse für Verkehrsbehinderungen. Die Mitarbeiter der Logistikbranche wollen damit höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen erreichen.
Die Aktionen verschärften die Situation für viele Pendler weiter. Rund um Paris bildeten sich zwischenzeitlich Staus von zusammengerechnet fast 630 Kilometern Länge. Landesweit verkehrten viele Züge nicht, auch die meisten Metros in Paris standen wiederholt still. Für Dienstag haben die Gewerkschaften erneut zu landesweiten Kundgebungen aufgerufen. Die Regierung appellierte einmal mehr an die Streikenden, auf Aktionen über die Weihnachtstage zu verzichten. Eine Annäherung ist jedoch bisher nicht in Sicht.
Quelle: ntv.de, mau/APF