Tradition vs. Reform Marokkos König im Zwiespalt
18.06.2011, 15:16 UhrKönig Mohammed VI. gilt als ein der Tradition verpflichteter Hoffnungsträger. Marokkos Monarch hat aber schon viele Reform-Erwartungen enttäuscht. Auch die jüngsten Ankündigungen können die Erwartungen nicht erfüllen.
Zwischen Hoffnung und Wirklichkeit klaffen manchmal tiefe Gräben. Als Marokkos König Mohammed VI. im März eine tiefgreifende Verfassungsreform ankündigte, hofften viele seiner Untertanen, er werde eine moderne Monarchie auf der Basis von Gewaltenteilung einführen. Nach der Verkündung der Reformen am 17. Juni sind die Anhänger der Protestbewegung enttäuscht: Zwar gibt der 47-jährige Monarch einen Teil seiner Befugnisse ab, das Heft behält er aber weiterhin in der Hand. Damit wiederholt sich das Muster von Mohammeds bisheriger Regentschaft.
Hoffnung auf frischen Wind
Als Mohammed VI. im Juli 1999 nach dem Tod seines Vaters Hassan II. auf den Thron kommt, hoffen viele, dass der 35-jährige Monarch das Land reformiert. Kaum an der Macht, beschreibt er ungeschönt die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage seines Lands, spricht von den tiefen sozialen Gräben, von der hohen Arbeitslosigkeit, der grassierenden Korruption, der Benachteiligung der Frauen - und verspricht, dass alles besser werden soll.
Die Anfänge lassen hoffen: Der diplomierte Jurist und Politikwissenschaftler, der über die Beziehungen der Maghreb-Staaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft promovierte, trennt sich als erstes von dem mächtigen und ungeliebten Innenminister seines Vaters, Driss Basri, lässt Oppositionelle aus dem Ausland zurückkehren und entlässt den Islam-Gelehrten Abdessalam Yassine aus zehnjährigem Hausarrest. 2004 setzt er gegen den Widerstand der radikalislamischen Opposition ein neues Familiengesetz durch, das die Rechte der Frauen stärkt.
Gleichzeitig gibt er sich als Monarch mit sozialem Gewissen: Es vergeht kaum ein Tag ohne Fotos in den staatlichen Medien, die zeigen, wie Mohammed VI. eine Wohnsiedlung oder ein Krankenhaus in einem abgelegenen Flecken des Landes einweiht.
Seine Kritiker aber werfen ihm vor, auf halbem Wege stehengeblieben zu sein. Es gibt kaum Fortschritte im Gesundheits- und Bildungswesen, nach wie vor sind 40 Prozent der Einwohner Analphabeten. Die Justiz gilt weiter als wenig unabhängig und korrupt, ihre Reform bleibt eine Baustelle.
Unabhängige Medien stehen nach ersten Lockerungen wieder unter starkem wirtschaftlichen und juristischem Druck, an zahlreiche Tabuthemen darf nicht gerührt werden. Kritiker monieren zudem den starken Einfluss der Königsfamilie in der Wirtschaft und Geschäftswelt des Landes.
Trotz allem beliebter Monarch
Mohammed VI. stammt aus einer Königsdynastie, deren Wurzeln im 17. Jahrhundert liegen. Er ist Staatschef, Armeechef und oberster geistlicher Führer zugleich - und an dieser Machtfülle will er trotz einiger Zugeständnisse nicht rütteln. Und doch stellt bis heute niemand die Monarchie in Frage, allen Rufen nach mehr Demokratie zum Trotz.
Dies wiederum liegt in der Person des Monarchen begründet, der bis heute über großes Ansehen innerhalb der Bevölkerung verfügt. Für sie ist er immer noch der Hoffnungsträger, und nicht wenige verweisen dabei auf Mohammeds eigene Familie: Als er am 21. März 2002 die Bürgerliche Salma Bennani heiratet, räumt er rasch mit dem alten Brauch auf, das Leben im Palast von der Öffentlichkeit abzuschirmen. Seine Frau, die seit der Hochzeit Prinzessin Lalla Salma heißt, tritt immer wieder in der Öffentlichkeit auf, sie beteiligt sich aktiv an sozialen Werken. Das Paar hat zwei Kinder, den achtjährigen Erbprinz Moulay Hassan sowie seine vierjährige Schwester, Prinzessin Lalla Khadija.
Quelle: ntv.de, AFP