Politik

"Lieber Horst" Merkel belohnt ihren schnurrenden Löwen

Ungleich, aber erfolgreich: Merkel und Seehofer.

Ungleich, aber erfolgreich: Merkel und Seehofer.

(Foto: REUTERS)

Er poltert, sie schweigt lieber: Horst Seehofer und Angela Merkel sind ein ungleiches Paar. Beim CSU-Parteitag wird die Kanzlerin bejubelt. Sie verspricht etwas, was sich Seehofer so sehr wünscht. Dabei misslingt Merkels Start gründlich.

Der Einstieg geht schief. Schon im ersten Satz verheddert sich Angela Merkel. "Lieber Horst Dobrindt", beginnt sie ihre Rede, als sie vor das Mikro tritt. Horst Seehofer und Alexander Dobrindt müssen lachen, die Kanzlerin schaut etwas zerknirscht. Die beiden seien ein so gutes Paar, versucht sie ihren Fauxpas zu erklären, dass sie da wohl aus Versehen etwas vermischt habe.

Merkel ist nur zu Besuch. Sie ist nach München gekommen, um beim CSU-Parteitag ein Grußwort zu halten. Als sie den Saal betritt, wird sie mit spärlichem Applaus begrüßt. Die Kanzlerin spielt hier nur eine Nebenrolle. Der Höhepunkt der Veranstaltung findet erst am Samstag statt, wenn Seehofers Wiederwahl auf dem Programm steht. Er soll der Star des Wochenendes werden. Das wird der ehrgeizige Parteichef sie an diesem Abend auch spüren lassen.

Und doch hat ihr Auftritt Symbolkraft. In der entscheidenden Phase der Verhandlungen mit der SPD erhoffen sich die Delegierten klare Signale. In einem schwarz-roten Koalitionsvertrag wollen die Christsozialen nicht leer ausgehen. Merkel wird sie nicht enttäuschen.

"Weitestgehend Wort gehalten"

Von Anfang an spielt die Kanzlerin den höflichen Gast. Sie spricht von "einem der erfolgreichsten Jahre für die Union". Das herausragende Ergebnis bei der Bundestagswahl sei ohne die Geschlossenheit der beiden Parteien niemals möglich gewesen. Sie wendet sich auch direkt an Seehofer. Er habe zu Beginn des Wahljahrs versprochen "ein schnurrendes Kätzchen" und "kein brüllender Löwe" zu sein. "Lieber Horst", sagt sie, "du hast weitestgehend Wort gehalten".

Kaum Alleingänge oder Querschläger: Die Kanzlerin sagt Danke, weil auf Seehofer im Wahlkampf Verlass war. So häufig es zwischen den Schwesterparteien in der Vergangenheit auch geknirscht hat: Die beiden haben eine erfolgreiche Allianz geschmiedet. Wie Merkel in der CDU, so ist Seehofer die unangefochtene Spitze seiner Partei. Dabei sind sie so grundverschiedene Typen.

Das zeigt sich auch während der Koalitionsverhandlungen. Die prägenden Stimmen sind Seehofer und sein Generalsekretär Dobrindt. Sie machen die Ansagen und drohen notfalls auch mal mit Neuwahlen. Von der Kanzlerin war in den vergangenen Wochen dagegen fast nichts zu hören. Manchmal schien es, als sei die große Wahlsiegerin unsichtbar. Es ist eine Frage des Stils: Merkel zieht die Fäden weitaus unauffälliger und weniger polternd als der Bayer. Guter Bulle, böser Bulle - so lässt sich die Unionstaktik der letzten Wochen wohl am besten beschreiben.

Die Ja-Sagerin

Dass Merkel ihm in München die Show stiehlt, muss Seehofer daher nicht fürchten. Auch hier ist die Kanzlerin mehr Bürokratin als Alpha-Tier. Sie werde in diesen Tagen so oft auf rote Linien angesprochen, sagt sie. "Es kann aber nicht der Sinn sein, dass jeder mit einem Blatt mit roten Linien in die Verhandlungen geht. Wir müssen gucken, wo das Gemeinsame liegt und nicht das Trennende." Man werde daher am Ende nicht alles machen können, was wünschenswert ist. "Beim Mindestlohn wird nicht das rauskommen, was bei uns im Regierungsprogramm stand." Es ständen harte Tage bevor, aber dass die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten erfolgreich sind, steht für sie offenbar außer Frage. "Wir werden hoffentlich eine Regierung bilden", sagt sie. Das SPD-Mitgliedervotum erwähnt Merkel dabei mit keinem Wort.

Die Kanzlerin und der "bayerische Löwe".

Die Kanzlerin und der "bayerische Löwe".

(Foto: picture alliance / dpa)

Zwei Monate ist es her, dass sie mit 41,5 Prozent das beste Unionsergebnis seit 1990 einfuhr. Doch in den vergangenen Wochen stieg die Anzahl der Kritiker in den eigenen Reihen. Während die SPD sich bei wesentlichen Themen wie Mindestlohn, Frauenquote, Mietpreisbremse, Kassenbeitrag und Zuschussrente mehr oder weniger stark durchsetzte, fehlt vielen Unionspolitikern die schwarze Handschrift. Vor allem die CDU konnte inhaltlich bisher kaum glänzen. In den Medien kursiert sogar der Vorwurf der Verhinderer-Partei.

Der Kanzlerin muss das zu Ohren gekommen sein. "Es heißt immer, die Union würde dauernd nein sagen, es sei das Einzige, was wir können", ruft sie in den Saal hinein und holt aus zum leidenschaftlichsten Teil ihrer Rede. "Es gibt auch ein patriotisches Nein", sagt sie und meint die Ablehnung von Steuererhöhungen. Die Ja-Sagerin Merkel lässt die Dagegen-Partei plötzlich fast wieder visionär aussehen. Ein Nein zu mehr Schulden sei schließlich auch ein Ja zu mehr Handlungsfähigkeit und Generationengerechtigkeit. Das Nein zur Abschaffung des Ehegattensplittings hieße Ja zu Ehe und Familie. Der Reihe nach wandelt sie die Positionen einfach um.

Das Kätzchen wehrt sich

Die CSU-Delegierten hören aufmerksam zu. Begeisterung brandet nur selten auf. Noch warten sie auf die wirklich wichtigen Sätze. Wie Merkel die SPD mit Zugeständnissen zur Großen Koalition bewegt, verlangen auch die Christsozialen ihre Belohnungen. Loyalität hat ihren Preis und Seehofer hieße nicht Seehofer, hätte er in den vergangenen Tagen nicht oft genug wiederholt, was er fordert: drei Ministerposten und die Pkw-Maut.

Und die Kanzlerin beschenkt den schnurrenden Seehofer und seine Partei. Auf Wunsch der CSU, so betont sie, werde man an "einer europarechtskonformen Lösung für eine Mitbelastung der nicht-inländischen Kraftfahrzeughalter arbeiten". Dazu müsse aber sichergestellt sein, dass kein deutscher Autofahrer stärker belastet werde. Wenn auch unter Bedingungen: Das langersehnte Ja zur umstrittenen Pkw-Maut ist endlich da. Dafür gibt's Applaus.

Als Merkels Rede vorbei ist, tritt Seehofer zu ihr auf die Bühne. "Du hast jetzt etwa die Hälfte deiner Amtszeit hinter dir", sagt er, und lässt ein albernes Lachen durch den Saal schallen. Die Kanzlerin schaut betreten drein, als er beginnt, ihre Rede zu sezieren und natürlich auch das "schnurrende Kätzchen". Die nächsten Tage werde er weiter schnurren, verspricht Seehofer, "dann kann sich das auch wieder ändern". Einige Minuten monologisiert er noch weiter, dann erhält Merkel einen Blumenstrauß und darf die Bühne verlassen. Natürlich nicht ohne einen letzten Gruß des CSU-Chefs. "Aber die Maut bleibt hier."

Quelle: ntv.de

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