Politik

Pofalla kein Thema mehr Merkel ist für alle da

Merkel winkt der Basis zu.

Merkel winkt der Basis zu.

(Foto: dpa)

Während in der FDP ein Mitgliederentscheid gegen ihren Europa-Kurs ansteht, verteidigt die Kanzlerin als Gast der CDU-Basis ihre Entscheidungen. Keine Frage, die Merkel offen lässt. Pofalla, Währung, Stalinismus - die Partei-Chefin weiß auf alles eine Antwort.

Schäffler ist grober Sand im schwarz-gelben Getriebe.

Schäffler ist grober Sand im schwarz-gelben Getriebe.

(Foto: dpa)

In der Lobby des Magdeburger Maritim läuft n-tv, einer der beiden Gäste im "Duell" ist der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, auch bekannt als "Euro-Rebell". Eigentlich geht es der CDU doch gut: Die FDP hat ihren Schäffler, die CSU hat ihren Peter Gauweiler. Auch CDU-Abgeordnete haben im Bundestag gegen den Euro-Rettungsschirm EFSF gestimmt, es waren immerhin sechs. Doch keiner von ihnen strebt, wie Schäffler in seiner Partei, einen Mitgliederentscheid gegen die Griechenland-Hilfen an. Keiner von ihnen hat sich einen Namen als Euro-Dauerkläger in Karlsruhe gemacht wie Gauweiler.

Und doch mussten sich weder Schäffler noch Gauweiler so beschimpfen lassen wie der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach - zumindest ist bislang nichts dergleichen bekannt. Bekannt ist, was Kanzleramtsminister Ronald Pofalla am Montag vor einer Woche zu Bosbach sagte: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen" und "Ich kann deine Scheiße nicht mehr hören".

Bosbach ist nicht anwesend im Maritim, auch Pofalla ist nicht gekommen. Beide gehören zum nordrhein-westfälischen Landesverband der CDU, und hier treffen sich die Landesverbände von Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Es ist die letzte von sechs Regionalkonferenzen, auf denen die Partei "über aktuelle politische Themen" diskutiert. Als vor einigen Monaten zu den Konferenzen eingeladen wurde, waren das vor allem die Abschaffung der Wehrpflicht und die Energiewende, mittlerweile ist die von der CDU geplante Abschaffung der Hauptschule dazugekommen - Themen, bei denen Teile der Partei den "Markenkern" der CDU in Gefahr sehen. Wie beim Euro, dem zentralen Thema des Abends.

"Fragen Sie die Kanzlerin" - das unausgesprochene Motto des Abends.

"Fragen Sie die Kanzlerin" - das unausgesprochene Motto des Abends.

(Foto: dpa)

Zuerst spricht Merkel, dann fragen die Mitglieder, dann wird geantwortet . Gleich der erste Fragesteller spricht das Thema Pofalla an. "Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass wir eine bürgerliche Koalition sind", sagt er. "Ich würde mir wünschen, dass wir als CDU diese Tugenden auch zeigen." Er bleibt eine Ausnahme. Der nächste Frager, der über Pofalla spricht, ist der Pressesprecher der "Aktion Linkstrend stoppen", Michael Nickel. Sein T-Shirt mit dem Logo der innerparteilichen Rebellenbewegung brandmarkt ihn als Querulanten. "Schicken Sie den Kanzleramtsminister in seine unverdiente Rente!", fordert er. Für einen Querulanten erhält er vergleichsweise viel Applaus.

Ein Satz zu Pofalla

Ansonsten jedoch fügt sich die Basis dem Wunsch ihrer Parteivorsitzenden, dass diese Diskussion zu Ende sein möge. Sie selbst sagt zum Thema einen einzigen Satz. In einer "bürgerlichen Koalition" müsse die Debatte so geführt werden, dass es um die Sachfragen geht.

Davon brennen den Basis-Vertretern einige auf den Nägeln. "Ihr Auftritt bei Herrn Jauch war die reinste Freude", muss eine Dame aus dem Nachbarland Niedersachsen loswerden. In der Bildungspolitik plädiert sie für Zugangskontrollen zum Gymnasium. Ein Mann aus Bernburg an der Saale überreicht einen Brief von Opfern des Stalinismus. Sachsen-Anhalts Bauernpräsident kritisiert die Privatisierungspraxis der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, einer Nachfolgeveranstaltung der Treuhand. "Die Herumeierei, das kann so nicht weitergehen!", ruft ein anderer und meint die Schuldenkrise. Ein CDU-Mitglied, das sich "erzkonservativ von Anfang an" nennt, meint, die Bundesregierung habe mit dem Atomausstieg das Ausland brüskiert. "In der Wirtschaft nennt man das Missmanagement", sagt er, dort hätte Merkel ihren Job nicht mehr lange. Ein Vertreter der Jungen Union bittet darum, beim Tempo der Reformen auf die Bremse zu treten, ein Vertreter der CDA, des Arbeitnehmerflügels der Union, setzt sich für Mindestlöhne ein, die hier gesetzliche Lohnuntergrenze heißen.

Es ist Bürgersprechstunde bei der Bundeskanzlerin, jeder darf sprechen, keiner wird unterbrochen, die meisten erhalten ihre Antworten. Rund 1000 Parteimitglieder sind nach Magdeburg gekommen. "Wir haben dann zwischen 6500 und 7000 Menschen getroffen und mit ihnen diskutiert", bilanziert Merkel.

Die CDU-Mitglieder sind deutlich kritischer als Moderator Günther Jauch. Aus der Ruhe bringen sie ihre Vorsitzende dennoch nicht. Den Brief aus Bernburg nimmt sie freundlich entgegen, über die Privatisierungspraxis der Treuhand-Nachfolgerin will sie "noch mal mit dem Bundesfinanzminister sprechen". Ihre Antworten zum Euro sind bekannt. Es gehe nicht in erster Linie um die Griechen, sondern um Deutschland. "Die Rettungsschirme machen wir vorrangig, damit wir mit unserer Währung nicht in Kalamitäten kommen." Und: "Griechenland muss seine Schulden nach wie vor selber zurückzahlen." Merkel räumt ein, dass viele Experten sagen, dass Griechenland eine Umschuldung brauche. Sie jedoch müsse die praktischen Folgen bedenken. "Umschuldung, das hört sich so super an", es habe nur "einen kleinen Nachteil": Kein Mensch würde in Europa mehr eine Staatsanleihe kaufen.

"Bevor ich einen schicken Schritt ins Abenteuer mache, müssen wir immer überlegen, kann ich das wirklich tun?", sagt Merkel. "Deshalb gelte ich manchmal auch als ein bisschen zögernd und langsam, ja."

Warnung an die Liberalen

Ohne den Koalitionspartner zu erwähnen, offenbar jedoch an die Adresse der FDP gerichtet, warnt sie vor der Gefahr einer Ansteckung: Wenn eine Umschuldung überhaupt theoretisch diskutiert werde, dann müsse Vorsorge getroffen werden, dass die anderen Länder so abschottet werden, dass sie nicht angesteckt werden können. Dies sei der Sinn des Dauer-Rettungsschirms ESM - eine Art IWF für die Eurozone. Ihre Partei beschwört sie: Wenn die CDU vor dieser Aufgabe versage, "dann geht das weit über den nächsten Wahltag hinaus". Applaus.

Pofalla: abgehakt. Jedenfalls signalisiert Merkel das.

Pofalla: abgehakt. Jedenfalls signalisiert Merkel das.

(Foto: dpa)

Merkel spricht eine halbe Stunde, gut 50 Minuten lang lauscht sie den Fragen. Für ihre Antworten nimmt sie sich eine weitere halbe Stunde Zeit. Um 20.22 Uhr wird die Nationalhymne gesungen, dann ist Schluss. Merkel habe es geschafft, "eine Diskussionskultur in der Partei zu ermöglichen", sagt einer, der neben ihr auf dem Podium gesessen und wie die meisten der Herren dort die ganze Zeit geschwiegen hatte. Kritik sei "keine Majestätsbeleidigung mehr".

Noch vor Beginn der Regionalkonferenz meldet die FDP, Schäffler habe die nötigen Unterschriften für einen Mitgliederentscheid beisammen. Hätte Pofalla den Mund gehalten, die CDU könnte als Hort der Stabilität in der Koalition wirken. Könnte? Sie tut es doch. In Magdeburg ist Pofalla längst Schnee von gestern.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen