Nach Pofallas Verbal-Attacke Nerven in Berlin liegen blank
04.10.2011, 10:55 Uhr
Pofalla (l.) hat sich nicht das erste Mal im Wort vergriffen. Bosbach (r.) sprach das Unbehagen aus, das viele Bürger plagt.
(Foto: dpa)
Kanzleramtsminister Pofalla soll mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie, wonach Abgeordnete bei der Wahrnehmung ihres Bundestagsmandats vor allem ihrem Gewissen verpflichtet sind, von "Scheiße" gesprochen haben. Auch wenn sich Pofalla dafür öffentlich entschuldigt, spricht man in Berlin von einer Ungeheuerlichkeit.
Nach dem Wutausbruch gegenüber seinem CDU-Parteikollegen Wolfgang Bosbach hat sich Kanzleramtsminister Ronald Pofalla erneut für seine verbalen Attacken entschuldigt. Via "Bild"-Zeitung erklärte Pofalla: "Ich ärgere mich selbst sehr über das, was vorgefallen ist, und es tut mir außerordentlich leid."
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hatte sich zuvor öffentlich um das Ansehen des Deutschen Bundestags gesorgt. "Wenn wir als Parlament respektiert werden wollen, braucht es auch Respekt der Abgeordneten untereinander", sagte Hasselfeldt dem "Hamburger Abendblatt". Dazu seien alle Seiten angehalten. Alle Parlamentarier müssten fair miteinander umgehen, fügte die frühere Bundestags-Vizepräsidentin hinzu.
Pofalla soll während der Diskussionen um den Euro-Rettungsfonds in der vergangenen Woche Bosbach mit den Worten beschimpft haben: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen." Bosbach lehnte die Ausweitung des EFSF entgegen der Linie von Regierung und Fraktionsführung ab. Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages hat inzwischen erklärt, nach einer Entschuldigung Pofallas sei die Sache für ihn erledigt.
Gewissensentscheidung ist "Scheiße"
Nach und nach kommen weitere Einzelheiten des verbalen Ausrutschers an die Öffentlichkeit. Laut "Bild am Sonntag" sagte Pofalla am 26. September bei einem Treffen in der NRW-Landesvertretung in Berlin unter anderem, dass Bosbach mit seiner "Scheiße alle Leute verrückt" mache. Als Bosbach seine harte Haltung im Streit um den Euro-Rettungsschirm mit Verweis auf Gewissensentscheidungen von Abgeordneten verteidigte, habe der Kanzleramtsminister geantwortet: "Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe."
In Berlin macht derweil das Wort von der Überforderung Pofallas die Runde. Erinnerungen an die Auseinandersetzung mit dem damaligen FDP-Generalsekretär Dirk Niebel werden wach, den Pofalla in aller Öffentlichkeit heftig anschrie. Oder an die Auseinandersetzung mit Karl-Theodor zu Guttenberg, den er als tituliert haben soll.
Hasselfelds Kollege, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, nannte die Pofalla zugeschriebenen Äußerungen in der "Leipziger Volkszeitung" "unangemessen". SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der "Welt": "Ronald Pofalla ist offenbar nicht in der Lage, seinen Job angemessen auszuüben." Die Szene zeige, "wie sehr die Nerven in der Union und vor allem im Kanzleramt blank liegen". Nahles forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich in der Angelegenheit zu erklären.
Bundestags-Präsident Norbert Lammert (CDU) stützte Bosbach als "einen der angesehensten Kollegen der Bundestagsfaktion", der nicht als "notorischer Nörgler" bekannt sei. Er habe "Anspruch auf Respekt", sagte Lammert.
Bosbach kommt wie Pofalla aus Nordrhein-Westfalen und ist seit 1994 im Bundestag. Von 2000 bis 2009 war er stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion, seit Ende 2009 ist er Vorsitzender des Innenausschusses.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP