EU-Beitritt der Türkei Merkel verspricht Ehrlichkeit
31.10.2012, 14:02 UhrBundeskanzlerin Merkel empfängt den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan. Gesprächsthema ist wieder einmal der EU-Beitritt der Türkei. Erdogan will einen klaren Zeitplan, doch Merkel kann nur weitere Verhandlungen versprechen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan "ehrliche" Verhandlungen der Europäischen Union über einen Beitritt der Türkei zugesichert. "Diese Verhandlungen werden weitergehen unbeschadet der Fragen, die wir grundsätzlicher Art zu klären haben. Deutschland steht zu diesem Prozess, dass diese Verhandlungen fortgeführt werden", sagte Merkel nach einem Gespräch mit Erdogan im Kanzleramt. Ankara will Vollmitglied der EU werden, erkennt das EU-Mitglied Zypern aber nicht an. Dies ist einer der Konfliktpunkte.
Vor dem Treffen hatte Erdogan das Jahr 2023 als späteste Frist für einen EU-Beitritt seines Landes genannt. Er hoffe nicht, dass Europa die Türkei "so lange hinhalten" werde, sagte Erdogan nach Angaben seiner Partei AKP in Berlin. "Wenn sie versuchen, uns bis dahin hinzuhalten, dann wird die EU verlieren, zumindest werden sie die Türkei verlieren", sagte Erdogan.
Erdogan erinnerte daran, dass seine Regierung die Türkei bis zum 100. Jubiläum der Republik-Gründung im Jahr 2023 in vielen Bereichen grundlegend modernisieren wolle. Für die kommenden Generationen bereite die Regierung "eine ganz andere Türkei" vor, sagte Erdogan nach einem Protokoll seiner Äußerungen auf der AKP-Internetseite.
Probleme mit Zypern
Der türkische Premier ging auch auf die Probleme im EU-Prozess der Türkei und insbesondere den Zypern-Konflikt ein. Er warf der EU vor, die griechische Republik Zypern trotz der Teilung der Mittelmeerinsel im Jahr 2004 als Mitglied aufgenommen zu haben. Merkel habe dies ausdrücklich als "Fehler" bezeichnet, sagte Erdogan.
Die Türkei hat für die Dauer der zyprischen EU-Ratspräsidentschaft bis zum Jahresende die Kontakte mit der EU reduziert. Die seit 2005 laufenden Beitrittsgespräche der Türkei seien deshalb derzeit "abgebrochen", sagte Erdogan. "Bis zum Ende dieser Präsidentschaft wird es keine Verhandlungen mehr geben." Türkische EU-Politiker hoffen auf einen Neubeginn des Verhandlungsprozesses unter der irischen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2013.
Neubau im Botschaftsviertel
Erdogan hatte am Dienstag in Berlin die neue türkische Botschaft eröffnet. Außenminister Guido Westerwelle sprach sich in seinem Grußwort für eine weitere Annäherung zwischen der Türkei und der Europäischen Union aus. Der Stillstand in den Beitrittsverhandlungen seit zwei Jahren sei für beide Seiten nicht gut. Im kommenden Jahr solle hier ein "neuer Anfang" gemacht werden. Die Türkei habe viele Reformen verwirklicht. "Viel bleibt zu tun, aber wichtige Etappen sind geschafft", sagte Westerwelle.
Bei einer europapolitischen Rede bekräftigte Erdogan am Abend das Ziel eines EU-Beitritts seines Landes. "Wir bereiten uns darauf vor, dass wir Vollmitglied in der EU werden." Als Problem benannte er allerdings die Zypern-Frage - die Türkei erkennt das EU-Mitglied Zypern nicht an. Selbstbewusst bot der türkische Regierungschef auch Hilfe in der Euro-Krise an. "Wir erstarken von Tag zu Tag", sagte er. Die Türkei werde jeden Beitrag leisten, damit die Euro-Krise überwunden werden könne. Sein Land werde keine Belastung für die EU sein. "Wir kommen, um Last zu übernehmen", sagte Erdogan.
Belastung durch Syrien-Konflikt
Erdogan nutzte sein Gespräch mit Merkel, um wegen des Konflikts im Nachbarland Syrien die Unterstützung Deutschlands zu erbitten. "Wir brauchen unbedingt die Unterstützung und den Beistand Deutschlands", sagte Erdogan. Mit Blick auf die zahlreichen syrischen Flüchtlinge, die in Nachbarländern wie der Türkei Zuflucht suchen, warnte Erdogan: "In einer Zeit, wo man nach globalem Frieden Ausschau hält, ist das natürlich eine Katastrophe, und das müssen wir verhindern."
Merkel sagte, die Lage in Syrien sei für die Türkei eine "echte Belastung". Die Bundesregierung habe "Unterstützung humanitärer Art" angeboten. "Wir fühlen uns für die Sicherheit der Türkei verantwortlich", sagte die Kanzlerin. Diese habe im Umgang mit Syrien "Besonnenheit an den Tag gelegt".
Die Türkei, ein früherer Partner Syriens, hat sich im Verlauf der Unruhen im Nachbarland zu einem der schärfsten Kritiker der Regierung des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad gewandelt. Durch syrischen Granatbeschuss über die Grenze hinweg hatte sich die Situation in den vergangenen Wochen verschärft.
Quelle: ntv.de, dpa