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"Realitäten anerkennen" Koalitionen mit BSW? CDU-Landeschefs widersprechen Merz

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In der Elefantenrunde bei ntv am Abend der Europawahl trafen Wagenknecht und Merz bereits aufeinander.

In der Elefantenrunde bei ntv am Abend der Europawahl trafen Wagenknecht und Merz bereits aufeinander.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Union und das BSW gehören zu den klaren Siegern der Europawahl. CDU-Chef Merz schiebt einer Zusammenarbeit mit dem Wagenknecht-Bündnis aber einen Riegel vor. Die Rechnung macht er allerdings ohne einige Landeschefs seiner Partei. Die wollen sich die Option offen halten.

In der CDU gibt es Differenzen über eine mögliche Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Während CDU-Chef Friedrich Merz einer Koalition mit dem BSW eine klare Absage erteilte, hält sich die Thüringer CDU solche Optionen grundsätzlich offen. Vor der Landtagswahl schließe seine Partei nichts aus, sagte CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt im Sender Welt TV.

Merz hatte am Montagabend in der ARD hinsichtlich möglicher Koalitionen mit dem BSW und der AfD gesagt: "Das ist völlig klar, das haben wir auch immer gesagt - wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen." Für Sahra Wagenknecht gelte beides: "Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem."

BSW-Chefin Wagenknecht kritisierte Merz für seine Absage an eine Koalition mit dem Bündnis. "Der CDU-Vorsitzende möchte offenbar die neuen Bundesländer unregierbar machen", sagte sie dem "Spiegel". "Ohnehin sollte sich jeder Wähler im Osten überlegen, dass eine Stimme für die CDU auch Rückenwind für Herrn Merz ist, der die Renten noch weiter kürzen und Deutschland mit der Lieferung von Taurus-Raketen zur Kriegspartei in der Ukraine machen will."

BSW beklagt Ideologie bei Merz

BSW-Generalsekretär Christian Leye wies den Extremismusvorwurf von Merz als "unbedarft" zurück. Merz müsse "die politischen Realitäten in Ostdeutschland anerkennen", sagte Leye der "Welt". "Aus Verantwortung für das Land wird die CDU möglicherweise eine Entscheidung treffen müssen, was schwerer wiegt - ihre Ideologie oder einfache mathematische Wahrheiten bezüglich der Mehrheitsfindungen."

Thüringens CDU-Landes- und Fraktionschef Voigt geht indes davon aus, dass Merz "für die Bundesebene gesprochen" habe. Er betonte zugleich, die Thüringer CDU führe vor der Wahl keine Koalitionsdebatten. "Wir wollen in Thüringen stärkste Kraft werden, um hier einen Politikwechsel zum Guten herbeizuführen", sagte er dem "Tagesspiegel".

Im Sender Welt TV fügte Voigt hinzu: "Und wenn wir stärkste Kraft werden, schauen wir, mit wem wir die Probleme des Landes lösen können." Und da schließe die Thüringer CDU "vorher nichts aus". Einer Koalition mit AfD und Linken erteilte Voigt freilich wiederholt eine Absage.

"Ich habe einen vernünftigen Gesprächsfaden zu Katja Wolf, die ich immer als pragmatische Kommunalpolitikerin wahrgenommen habe", sagte Voigt dem "Stern". Die frühere Linken-Politikerin Wolf ist Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin des BSW in Thüringen. "Von ihr und aus dem Thüringer BSW höre ich mehr Vernünftiges als von Linken und Grünen, insbesondere in der Migrations- und in der Bildungspolitik", betonte Voigt.

In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. In den Umfragen liegt die AfD in Thüringen seit Monaten vorn, gefolgt von der CDU und der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Das BSW erreichte in den Umfragen zuletzt 16 Prozent. In Thüringen regiert derzeit eine Minderheitsregierung von Linkspartei, SPD und Grünen.

Kretschmer zeigt Offenheit gegenüber AfD

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst betonte, für die Union sei "klar, dass wir nicht mit Extremisten gemeine Sache machen". "Aber ich würde auch dringend raten, nicht zu sehr mit pauschalen Empfehlungen von oben herab Vorgaben für vor Ort zu machen", sagte er nach einer gemeinsamen Sitzung der Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Sachsen in Leipzig. "Man muss da sehr genau schauen - wie ist die Lage und mit wem hat man es eigentlich zu tun?", fügte er hinzu.

Ähnlich wie Wüst und Voigt äußerte sich auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. "Ich glaube, dass die Diskussion und dieser hysterische Umgang dafür gesorgt hat, dass Populisten bei dieser Wahl so stark geworden sind", sagte der CDU-Politiker beim Treffen mit Wüst in Leipzig. Das Einzige, was nun helfe, sei mit Menschen darüber zu sprechen, was sie wollten und was nicht.

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"Die Diskussion der kommenden Wochen, Monate und Jahre muss doch sein: Was wollen Sie? Wofür treten Sie ein? Welche Partei steht hier wofür?", sagte Kretschmer. Außerdem seien die kommunalen Volksvertretungen keine Parlamente, sondern Teil der Verwaltung. "Entlang dessen muss die Arbeit jetzt auch stattfinden." Ein Bürgermeister oder ein Landrat sollte laut Kretschmer "mit allen Menschen, die in einer solchen kommunalen Vertretung sind, reden". Denn nicht jeder in der AfD sei ein Rechtsextremist und erst recht nicht jeder AfD-Wähler. Die Führung hingegen bestehe "aus solchen Leuten".

Bei der Europawahl war die AfD im Osten - exklusive Berlin - durchweg stärkste Kraft geworden. Dahinter folgten die CDU und das BSW. Nach den im September anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen unter diesen Umständen schwierige Koalitionsverhandlungen bevor.

Quelle: ntv.de, als/AFP/dpa

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