Demonstrant in Ukraine: "Sie haben mich gekreuzigt" Militär fordert "dringende Schritte"
31.01.2014, 12:32 Uhr
Seit Wochen herrscht der Ausnahmezustand auf den Straßen Kiews.
(Foto: AP)
Barrikaden, Chaos, Gewalt: Seit Wochen eskaliert die Lage in der Ukraine - zum großen Unmut des ukrainischen Militärs. Dieses fordert Präsident Janukowitsch zum Handeln auf. Ein Bericht über einen gefolterten Demonstranten dürfte die Situation noch verschlimmern.
Das ukrainische Militär hat Präsident Viktor Janukowitsch aufgerufen, dringende Maßnahmen zu treffen, um die anhaltende Krise in dem Land zu entschärfen. "Die Soldaten und Angestellten des Verteidigungsministeriums rufen den Oberkommandeur der Streitkräfte (den Präsidenten) auf, im Rahmen der aktuellen Gesetze dringende Schritte zu ergreifen, um die Situation im Land zu stabilisieren und Einverständnis in der Gesellschaft zu erreichen", hieß es in einer auf der Internetseite des Verteidigungsministeriums veröffentlichten Erklärung.
In dem Schreiben werden "die Erstürmung öffentlicher Gebäu de und die Versuche, die Regierung an der Erfüllung ihrer Aufgaben zu hindern", als "inakzeptabel" kritisiert. Die Soldaten und Angestellten warnten davor, dass eine "Verschärfung der Konfrontation die territoriale Integrität" der Ukraine bedrohe.
Ein vor einer Woche entführter ukrainischer Demonstrant hat indes Peinigern nach seiner Freilassung schwere Misshandlungen vorgeworfen. "Sie haben mich gekreuzigt. Sie haben meine Hände durchstoßen", sagte der 35-jährige Dmitro Bulatow im Fernsehen. Er zeigte dabei die Wunden an seinen Handrücken. "Sie haben mein Ohr abgeschnitten, mein Gesicht zerschnitten. Es gibt keine einzige heile Stelle an meinem Körper. Aber Gott sei Dank bin ich am Leben." Oppositionsführer Vitali Klitschko bezeichnete die Folter des Demonstranten nach einem Besuch als Versuch, alle Aktivisten einzuschüchtern.
Bulatow wurde seit dem 23. Januar vermisst. Er hatte sich an mehreren Autokorsos beteiligt, die zu den Wohnsitzen der ukrainischen Spitzenpolitikern führten. Nach Auskunft eines Freundes wurde er von seinen Peinigern im Wald ausgesetzt und rettete sich aus eigener Kraft in ein Dorf. Inzwischen wird er in einem Krankenhaus behandelt.
UN fordern Untersuchung
Die Polizei hat ihr Vorgehen gegen die Teilnehmer der Autokorsos zuletzt verschärft und Oppositionsgruppen zufolge inzwischen etwa 20 Menschen festgenommen. Die UN forderte eine unabhängige Untersuchung der Berichte über Entführungen und Folter in der Ukraine.
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Janukowitsch indes auf, die vom Parlament beschlossene Rücknahme umstrittener Gesetze zu unterzeichnen. Es sei klar, "dass den Worten nun auch Taten folgen müssen", sagte sie nach einem Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk. "Es muss möglich sein, friedlich zu demonstrieren, es muss möglich sein, seine Meinung zu sagen und es gibt (...) auch einen hohen Veränderungsbedarf in der Ukraine."
Schon mehrere Tote
In der Ukraine gibt es seit Ende November teils gewaltsame Proteste der proeuropäischen Opposition gegen Präsident Viktor Janukowitsch. Das Militär hat sich aus dem Konflikt, in dem es bei Zusammenstößen bereits mehrere Todesopfer gab, bisher herausgehalten.
Der Rücktritt von Ministerpräsident Nikolai Asarow, die Zurücknahme umstrittener Gesetze zum Demonstrationsrecht und eine Amnestie für inhaftierte Demonstranten brachten diese Woche keine Annäherung an die Opposition. Trotz der Zugeständnisse beharrt die Opposition weiter auf dem Rücktritt von Janukowitsch und fordert Neuwahlen.
Janukowitsch meldete sich am Donnerstag krank, warf aber in einer Erklärung der Opposition vor, die Situation zu "vergiften", in dem sie aufgrund der "politischen Ambitionen" ihrer Führer zu weiteren Protesten aufriefen.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa/rts