Ermittlungen gegen Protestler in der Ukraine Misshandelter Bulatow steht unter Arrest
01.02.2014, 07:59 Uhr
Er wurde verschleppt und tagelang schwer misshandelt. Nun soll der ukrainische Protestler Dmitri Bulatow unter Hausarrest gestellt werden. Polizisten patrouillieren vor der Klinik - angeblich zu seiner eigenen Sicherheit.
Gefoltert, zerschunden, angeklagt: Acht furchtbare Tage sollen seine Qualen gedauert haben. Nun steht Dmitri Bulatow im Visier der ukrainischen Justiz – wegen seiner Teilnahme an Massenunruhen ermittelt sie gegen den Aktivisten. Ermittler beantragten Hausarrest für den 35-Jährigen, den Unbekannte nach seinen Angaben tagelang gequält und ihm dabei ein Ohr abgeschnitten hatten. Normalerweise wäre er laut Innenministerium in Untersuchungshaft gekommen, aus Rücksicht auf seine schweren Verletzungen habe der Untersuchungsminister aber nur Hausarrest verhängt.
Polizisten bewachten Bulatow in der Klinik - angeblich zu dessen eigener Sicherheit, berichteten ukrainische Medien. Möglich sei auch, dass Provokateure den Aktivisten misshandelt hätten, betonte ein ranghoher Beamter des Innenministeriums.
Der Regierungsgegner war am Donnerstagabend, gut eine Woche nach seinem Verschwinden, mit völlig zerschundenem Gesicht aufgefunden worden. Offenbar schwer gefoltert taumelte er in ein Dorf außerhalb der Hauptstadt Kiew, wie er selbst berichtete. Seine Entführer hätten ihn im Wald ausgesetzt.
Grausam gefoltert
In dem Dorf habe er Kontakt zu Freunden aufnehmen können, bevor er in ein Krankenhaus gebracht worden sei. Nach eigenen Angaben wurde Bulatow während seines Martyriums mit verbundenen Augen grausam gefoltert.
"Sie haben mein Ohr abgeschnitten, haben mein Gesicht zerschnitten", sagte Bulatow. Zudem hätten seine Peiniger ihm Nägel durch die Hände geschlagen. "Ich danke Gott, dass ich am Leben bin. " Die Fernsehbilder zeigten den Regierungsgegner mit geschwollenem und blutverkrustetem Gesicht.
"Ich kann nicht gut gucken, ich saß die ganze Zeit im Dunkeln." Er habe daher die Entführer nicht sehen können, sie hätten jedoch mit russischem Akzent gesprochen, berichtete Bulatow, dem das Reden offensichtlich schwer fiel.
Internationales Entsetzen
"Ich bin entsetzt angesichts der offensichtlichen Anzeichen von ausgedehnter Folter", erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel. Sie forderte ein Ende von "Einschüchterung und Straflosigkeit" in der Ukraine. Der Sprecher der UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay verlangte in Genf eine Untersuchung der berichteten Fälle von Folter und Entführungen in der Ukraine.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte eine Untersuchung der "barbarischen Tat". Amnesty verwies zugleich darauf, dass der Fall Bulatow nur einer von mehreren weiteren Fällen spurlosen Verschwindens von Aktivisten sei.
Die US-Botschaft in Kiew stellte ein Foto Bulatows mit einer klaffenden Wunde auf seiner Wange ins Netz und schrieb: "Die Regierung der Ukraine muss die volle Verantwortung für die rechtzeitige Untersuchung, Festnahme und Strafverfolgung der für diese abscheuliche Tat Verantwortlichen übernehmen." Zudem äußerte sich Sorge angesichts von Berichten über 27 weitere vermisste Aktivisten.
Geheimdienst ermittelt gegen Timoschenko-Partei
Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU nahm unterdessen Ermittlungen gegen die Partei der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko auf. Aufgrund von Dokumenten, die bei einer Razzia in der Parteizentrale im Dezember gefunden worden seien, werde nun wegen "versuchter Machtergreifung" ermittelt, zitierte Interfax den zuständigen SBU-Abteilungsleiter Maxim Lenko.
Aus den Dokumenten geht demnach hervor, dass die seit Wochen andauernden Massenproteste gegen die Regierung im Voraus geplant gewesen seien. Auch die "Gewalt gegen Demonstranten" sei geplant worden, "um die Autorität von Präsident Viktor Janukowitsch zu untergraben".
Zuvor hatte sich erstmals das Militär in den Machtkampf zwischen Opposition und Regierung eingeschaltet. Soldaten und Angestellte des Verteidigungsministeriums forderten Präsident Viktor Janukowitsch in einer Erklärung auf, "im Rahmen der aktuellen Gesetze dringende Schritte" zu ergreifen, um die Lage zu stabilisieren. Sie warnten, die Proteste drohten das Land zu spalten. Der Fraktionschef von Timoschenkos Partei, Arseni Jazenjuk, wertete die Erklärung als Versuch des Militärs, die Opposition einzuschüchtern.
Die Proteste dort halten seit Monaten an. Die Opposition fordert einen Rücktritt von Präsident Janukowitsch. Dieser ist inzwischen inmitten der politischen Krise erkrankt. Unklar ist, wann er seine Amtsgeschäfte wieder aufnimmt.
Quelle: ntv.de, dsi/dpa/AFP