Waffenruhe in der Ukraine Moskau erkennt "Fortschritte"
01.05.2015, 00:49 Uhr
Frühling in der Ukraine: Mit der Militärmütze seines Vaters auf dem Kopf posiert ein Junge in Kiew auf einem Artilleriepanzer.
(Foto: REUTERS)
Was genau haben Putin, Merkel, Hollande und Poroschenko am Telefon besprochen? Nach Gesprächen in der Viererrunde senden Kiew und Moskau widersprüchliche Signale. Stimmt der Kreml wirklich einer internationalen Friedenstruppe zu?
Bei der Umsetzung des Waffenstillstandes in der Ostukraine gibt es nach offizieller russischer Darstellung "einige Fortschritte". Dies hätten Präsident Wladimir Putin, Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Francois Hollande und dessen ukrainischer Kollege Petro Poroschenko angeblich in einer gemeinsamen Telefonkonferenz erklärt, teilte das Präsidialamt in Moskau mit.
In der entsprechenden Mitteilung der Bundesregierung war allerdings von Fortschritten keine Rede. Schwere Waffen müssten nachprüfbar von der Front abgezogen und Gefangene ausgetauscht werden, erklärte Merkels Sprecher Steffen Seibert.
Aus Kiew hieß es sogar, Kremlchef Putin habe prinzipiell der Entsendung von Friedenstruppen in die Ostukraine zugestimmt. Von einer solchen Einigung war wiederum weder in den Mitteilungen aus Moskau noch in den Stellungnahmen aus Paris und Berlin etwas zu lesen. Eine mögliche Friedenstruppe erwähnten die Bundesregierung und die Führung in Paris nach dem Vierertelefonat nicht.
Bis zur Rückgabe der Krim?
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte zuvor stets ausgeschlossen, dass sich der "Aggressor" Russland an einer solchen UN-Mission beteiligen könnte. Moskau wiederum hatte den Vorschlag Kiews mehrfach als Verstoß gegen das im weißrussischen Minsk vereinbarte Friedensabkommen abgelehnt.
Damit stehen die "Fortschritte", die der Kreml erkennt, insgesamt in Zweifel. Offenbar pflegen die Verhandlungspartner nach dem Gespräch vollkommen unterschiedliche Ansichten. Poroschenko rechnet trotz der Telefonkonferenz noch mit einem noch langen Konflikt.
Kiew hält unverändert an der Rückerlangung des Donbass von moskautreuen Separatisten fest und fordert darüber hinaus auch die Halbinsel Krim von Russland zurück. "Wir werden kompromisslos bleiben", sagte Poroschenko nach dem gemeinsamen Telefonat mit Putin, Merkel und Hollande.
Nato registriert verdächtige Aktivitäten
Poroschenko verwies auf historische Vorbilder: Auch in Korea und Israel seien Konflikte seit vielen Jahren im Gang. "Die Lage ist unmöglich militärisch zu lösen. Krieg ruft nur eine Reaktion hervor, besonders, wenn Russland beteiligt ist", meinte der prowestliche Staatschef.
Die ukrainische Regierung kämpft seit dem vergangenen Jahr gegen prorussische Separatisten. Trotz eines Waffenstillstandes kommt es immer wieder zu Gefechten. Nato-Oberbefehlshaber Philip Breedlove sagte, es gebe Anzeichen, dass die russischen Streitkräfte eine weitere Offensive in der Ostukraine vorbereiten.
Darauf deuteten viele ihrer Aktivitäten hin, erklärte der US-General. Russland hat stets bestritten, die Rebellen mit Soldaten oder Waffen zu unterstützen. Die Art der Bewaffnung und der Umfang an schweren Waffen auf Seiten der Separatisten lassen allerdings keine anderen Schlüsse zu. Die russischen Streitkräfte sind offenbar massiv an der Ausrüstung und der Versorgung der prorussischen Kämpfer beteiligt.
Separatisten weisen "illegale" Helfer aus
Im Osten der Ukraine haben die Aufständischen unterdessen sieben Mitarbeiter einer westlichen Hilfsorganisation wegen angeblicher Spionage aus den besetzten Gebieten in der Ostukraine ausgewiesen. Das Büro des International Rescue Committee (IRC) in der Separatistenhochburg Donezk sei geschlossen worden, erklärte das Ministerium für Staatssicherheit der selbstproklamierten Volksrepublik. Die Organisation habe sich schon seit einigen Monaten "illegal" verhalten.
Die betroffenen Mitarbeiter, US-Bürger und Europäer, hätten ohne Genehmigung gearbeitet und sich "aktiv" darum bemüht, Kontakt zu Vertretern der Separatisten herzustellen, um Informationen über die Lage in der Region und "soziale Probleme" zu bekommen. Unter dem Vorwand, den Bewohnern humanitäre Hilfe zukommen zu lassen, hätten die Mitarbeiter zudem Daten von Bürgern gesammelt und sie zu ihrer Meinung über die Separatisten befragt.
Das IRC wurde 1942 auf Anregung des Physikers Albert Einstein gegründet. Die Nichtregierungsorganisation ist in zahlreichen Konfliktregionen aktiv, um das Leid von Flüchtlingen zu lindern. In dem Konflikt in der Ostukraine wurden in den vergangenen 13 Monaten nach UN-Angaben mehr als 6100 Menschen getötet und mehr als eine Million Menschen in die Flucht getrieben. In dem Gebiet sind zahlreiche Hilfsorganisationen aktiv, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und Ärzte ohne Grenzen.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts