"Wer Rösler unterschätzt, hat schon verloren" Mutti Merkel erklärt ihren Vize
27.09.2011, 17:45 Uhr
Biegen, aber nicht brechen: Die Stimmung zwischen Merkel und Rösler ist trotz des Streits um Euro-Hilfen gut.
(Foto: dpa)
Als wäre aller Streit über die Euro-Rettung vergessen: Kanzlerin Merkel stellt in Berlin die erste Biografie über FDP-Chef Rösler vor, und kein Wässerchen kann die gute Stimmung trüben. Merkel entdeckt sogar große Parallelen im Leben ihres Vizekanzlers und die gemeinsame Liebe für Udo Jürgens. Und am Ende bekommt Rösler noch Überlebenstipps.
Angela Merkel erkennt sich in Philipp Rösler wieder. "Sein Leben ist eine der außergewöhnlichsten Biographien eines deutschen Politikers", sagt die Bundeskanzlerin mit Blick auf seine Geburt in Vietnam und dem Aufstieg zum Vizekanzler. "Auch die deutsche Einheit hat ungewöhnliche Biografien erzeugt", fährt Merkel fort, Physiker etwa hätten den Weg in die Politik gefunden. Gelächter im Saal, die Anspielung aufs eigene Leben ist verstanden. Und auch bei der Suche nach einer politischen Heimat sehe sie Ähnlichkeiten zur eigenen Biografie. Wie sie habe sich Rösler damals unter den Parteien umgeschaut. Die Jusos waren ihm zu marxistisch und gesellschaftlich-theoretisch, die Grünen noch weiter links – allerdings fand Rösler die Junge Union zu spießig und angepasst. So landete er 1991 bei den Jungen Liberalen, Merkel war ein Jahr zuvor der CDU beigetreten. Es war für beide eine pragmatische Entscheidung, keine Herzenssache.

Das Leben eines 38-Jährigen: Rösler hat es vom vietnamesischen Waisenjungen zum Vizekanzler gebracht.
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Heute regieren sie zusammen die schwarz-gelbe Koalition, und die Kanzlerin ist in die Katholische Akademie in Berlin gekommen, um "die erste Biografie" über den FDP-Chef vorzustellen. "Philipp Rösler. Ein Porträt" heißt das Werk des Journalisten Michael Bröcker, Leiter der Parlamentsredaktion der "Rheinischen Post" in Berlin. Der Untertitel "Glaube. Heimat. FDP" scheint ungewöhnlich für ein Buch über einen liberalen Politiker, ebenso der katholische St. Benno-Verlag, in dem es erschienen ist. Doch entspricht dieser starke Glaubensbezug offenbar den Vorstellungen Röslers, dessen ausdrücklicher Wunsch es war, das Buch im Haus der deutschen Bischofskonferenz zu präsentieren. Vor ein paar Tagen hat hier noch der "Heilige Vater" gespeist.
Wohlwollendes Porträt
Bröcker hat ein Porträt des Menschen Philipp Rösler geschrieben, keine tiefgreifende Biografie, wie auch Merkel bei ihrer Würdigung bemerkt. Das knapp 150 Seiten umfassende Buch ist mehr eine wohlwollende Erklärung des 38-Jährigen, als eine kritische Würdigung des Politikers Rösler. "Wer den Politiker verstehen will, muss die Persönlichkeit dahinter kennen", erklärt Bröcker seinen Ansatz. Unter den Überschriften "Herkunft", "Heimat" und "Haltung" zeichnet er den bisherigen Lebensweg des FDP-Vorsitzenden nach, vom Waisenkind in Vietnam über den Aufstieg bei den Liberalen bis hin zum Vizekanzler.
Rösler habe einen konservativen Lebensstil, lautet das Fazit des Biografen. Der kirchliche Glauben und der Heimatbegriff spielten eine ungewöhnlich zentrale Rolle für den FDP-Politiker. Aufgrund seiner frühen Entwurzelung suche Rösler zudem nach Halt, Beständigkeit und Harmonie – im Privaten, aber auch in der Politik. "Er ist kein extremer Politiker", sagt Böcker. Großes Aufsehen zu erregen sei nicht in seiner Biografie angelegt. Eher ein preußisches Pflichtbewusstsein, das – wie er in seinem Buch ausführlich beschreibt – durch seinen Vater und das Aufwachsen im Bundeswehrumfeld zustande gekommen sei. Doch, so lautet ein weiteres Fazit Bröckers, sollte man den FDP-Chef nicht unterschätzen. Hinter dem netten Herrn Rösler stecke echtes Machtbewusstsein. "Deshalb werden wir uns als politische Journalisten wohl auch noch weiter mit ihm auseinandersetzen müssen."
Merkel zitiert Rösler
Kein Extremist, ein pragmatischer Politikansatz, ein unterschätzter Machtmensch – auch hier darf sich Merkel ihrem Vize verbunden fühlen. Um Rösler zu charakterisieren, hat die Kanzlerin vier Zitate von ihm gewählt. "Hauptsache man wird geliebt" münzt Merkel auf Röslers Vater, seine Heimat Bückeburg und die FDP. "All das, worauf er seine Kraft gründet", sagt die Kanzlerin. Zitat Nummer zwei: "Der Glaube ist mein innerer Kompass." Wer glaube, gebe ja zu, nicht alles zu wissen, sagt Merkel. Glaube lehre Demut, das gefällt der Protestantin. Noch besser findet sie aber das dritte Zitat, dem Buch entnommen: "Ich bin nicht eingetreten, weil die FDP Steuersenkungen versprochen hat." Rösler gehe es um mehr, erklärt die Kanzlerin, um "das Zusammenleben in einer freien Gesellschaft". Und auch die CDU-Chefin wischt das Bild des netten Politikers beiseite. Wer in der FDP so schnell so hoch gekommen sei, müsse ein "homo politicus" sein. "Wer Rösler unterschätzt, hat schon verloren", zitiert sie seinen politischen Ziehvater Walter Hirche.
Das vierte Zitat schließlich, das Merkel wählt, nimmt sie zugleich als Prognose für die schwarz-gelbe Bundesregierung. "Der Bambus biegt sich im Wind und Sturm, aber er bricht nicht", zitiert sie den FDP-Chef. Das sei doch eine gute Voraussetzung für die restliche Legislaturperiode.
Schwarz-Gelb im Stimmungshoch
In der Tat: Wenn man angesichts der Diskussion um den Euro-Rettungsschirm den Eindruck gewinnen konnte, die Kanzlerin und ihr Vize würde es in zwei verschiedene Richtungen ziehen, präsentieren sie sich heute als harmonisch, manchmal sogar witziges Duo, das kein Wässerchen trüben kann. Natürlich macht eine solche Plauderstunde auch viel mehr Spaß als das harte Ringen um die Euro-Hilfen. Selbst wenn Merkel kleine Witze auf Kosten ihres Vize macht, etwa als sie Rösler einen "besonderen Fall" nennt und in Erinnerung an ihre erste Begegnung im Kanzleramt erzählt: "Da tauchte er auf und war plötzlich Gesundheitsexperte." Doch Rösler sei aufgefallen, "nett, fix und schnell". Und so wichtig Misstrauen in der Politik sei, "Vertrauen kann belohnt werden". Sie beide hätten das auch zueinander gefunden.
Die schwarz-gelbe Stimmung in der Katholischen Akademie ist also bestens, so gut wie lange nicht mehr, und die Rollenverteilung klar: Merkel gibt die Mutti. "Ich bin ja doch schon recht alt", sie habe schon viel erlebt und könne Ratschläge geben. "Oft habe ich auch recht", sagt die 57-Jährige. Rösler widerspricht nicht.
Immer optimistisch bleiben
Als dann die Frage nach Rösler "überambitioniertem" Musikgeschmack aufkommt – er mag Herbert Grönemeyer und Udo Jürgens -, outet auch Merkel ihre Liebe für den Schlagerstar. "Du bist auch Fan?", fragt Rösler. "Ja", gibt die Kanzlerin zu. Da schlägt ihr der FDP-Chef gleich vor, nächstes Jahr gemeinsam zum Konzert in Berlin zu gehen.
Damit er bis dahin überhaupt an ihrer Seite bleibt, gibt Mutti Merkel Rösler noch ein paar Tipps mit auf den Weg. Er solle optimistisch in die Zukunft blicken, sich nicht verrückt machen lassen und den eigenen Weg gehen. Und sich bei wichtigen Entscheidungen eine kleine Distanz bewahren und alle Alternativen durchspielen, nicht unnötig unter Druck setzen lassen. "Nichts ist trauriger, als wenn man etwas zu schnell gemacht hat und es nicht mehr ändern kann", erklärt die Kanzlerin ihrem Vize. Sich Zeit lassen ist schließlich Merkels umstrittene Spezialität. Rösler muss als Chef der kriselnden FDP allerdings aufpassen, dass er sie auch bekommt. Seine Regierungschefin gibt sie ihm jedenfalls.
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Quelle: ntv.de