"Röttgen will kein Mitgefühl" NRW fährt Wahlkampf runter
11.05.2012, 23:54 Uhr
Hannelore Kraft wird aller Voraussicht nach wieder zur Ministerpräsidentin gewählt.
(Foto: dapd)
Hochspannung vor der wichtigsten Landtagswahl des Jahres: In Nordrhein-Westfalen kämpft SPD-Regierungschefin Kraft um eine rot-grüne Mehrheit. Die CDU muss Verluste befürchten, die FDP könnte ein Ausrufezeichen setzen, und die Piraten sind auf dem Sprung. Bei letzten Wahlkampfauftritten wollen die Parteien heute noch einmal die Unentschlossenen motivieren.

Spitzenkandidaten von links oben nach rechts unten: Kraft, Röttgen, Löhrmann, Lindner, Paul und Schwabedissen.
(Foto: dpa)
In Nordrhein-Westfalen endet heute der Wahlkampf. Bevor die Wähler am Sonntag über die Zusammensetzung des neuen Landtags entscheiden, werben Politiker aller Parteien noch einmal um Zustimmung. Von der Wahl erhofft sich die bisherige Minderheitskoalition aus SPD und Grünen, künftig mit einer eigenen Mehrheit regieren zu können. Kraft zeigte sich im Interview mit n-tv zuversichtlich, dass "das auch klappen könnte". "Ich gehe davon aus, dass es klare Verhältnisse und SPD und Grüne wieder in der Landesregierung gibt."
Krafts Herausforderer ist der CDU-Landesvorsitzende, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der in den letzten Tagen des Wahlkampfs eine unglückliche Figur gemacht hatte. "Mitgefühl, glaube ich, will er von mir nicht haben", sagte Kraft in n-tv. Das wäre sicher auch nicht das richtige Signal. "Wir kämpfen alle, wir kämpfen fast bis auf die letzten Meter mit fairen Mitteln. Das ist in Ordnung. Am Ende entscheiden die Wählerinnen und Wähler."
Röttgen verbindet die Wahl erneut mit Merkel
Röttgen verknüpfte erst gestern Abend die NRW-Wahl erneut mit der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Beim Wahlkampfendspurt seiner Partei in Düsseldorf sagte Röttgen im Beisein der Regierungschefin: "Der Wahlsonntag dient auch dazu, dass unsere Bundeskanzlerin für ihre nationale Politik, für ihre europäische Politik (...) volle Unterstützung aus Düsseldorf bekommt anstatt immer nur Gegenwind und Knüppel zwischen die Beine."
Röttgen war in den vergangenen Tagen aus der eigenen Partei gemahnt worden, eine mögliche Wahlniederlage nicht mit Merkel zu verknüpfen. In den Umfragen liegt die CDU deutlich hinter der SPD. Merkel rief die Zuhörer in Düsseldorf auf, am Sonntag zur Wahl zu gehen. "Nordrhein-Westfalen muss stärker werden", sagte sie.
Die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland gilt als Generalprobe für die Bundestagswahl. Wer zwischen Rhein und Weser die Regierung stellt, dem werden auch gute Chancen im Bund 2013 prognostiziert. Zwei Tage vor der Wahl sehen Umfragen Rot-Grün klar vorn. Damit könnte Hannelore Kraft Ministerpräsidentin bleiben. Sie hatte im März als Chefin der bisherigen Minderheitsregierung den Haushalt 2012 nicht durch den Landtag gebracht, der sich daraufhin vorzeitig auflöste. Doch von Umfragen hält Kraft nicht viel. Sie hofft auf eine hohe Wahlbeteiligung, "damit es klare Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen gibt". Für sie sind "Umfragen erst Wahlergebnisse, wenn die Wählerinnen und Wähler entschieden haben."
Auch eine Große Koalition ist drin
Laut den letzten Umfragen können die Parteien in Nordrhein-Westfalen mit folgenden Ergebnissen rechnen:
- SPD: 37-38,5 Prozent
- CDU: 30-31 Prozent
- Grüne: 11 Prozent
- Piraten: 7,5-9 Prozent
- FDP: 5-6 Prozent
- Die Linke: 3-4 Prozent
Quelle: Infratest Dimap, 3. Mai 2012; Forschungsgruppe Wahlen, 4. Mai 2012; YouGov, 9. Mai 2012
Keine Partei hat in dem knapp zweimonatigen NRW-Wahlkampf bestimmte Bündnisse kategorisch ausgeschlossen. Auch eine Große Koalition in Düsseldorf ist nicht ausgeschlossen. Damit rechnet die FDP, falls Kraft mit den Grünen nicht ihre erhoffte Mehrheit einfährt. Die Liberalen werfen den Christdemokraten vor, sie dienten sich der SPD bereits als Juniorpartner an. Die Grünen hoffen auf ein ähnliches Ergebnis wie 2010 (12,1 Prozent) – und dass sie mit Schulministerin Sylvia Löhrmann wieder die Vize-Regierungschefin stellen können.
Für die Piraten scheint der Einzug in das vierte Landesparlament nach Berlin, Saarland und Schleswig-Holstein nahezu sicher. Ihr NRW-Spitzenkandidat Joachim Paul hat eingeräumt, seine Partei habe bei einigen Themen noch keine festen Positionen und wolle in der Opposition lernen. Angst vor der Piratenpartei hat Kraft nicht, auch wenn der Einzug der Neulinge in den Düsseldorfer Landtag Rot-Grün möglicherweise entscheidende Stimmen kosten könnte. "Das sind politische Mitbewerber wie alle anderen auch und ich bin sehr hoffnungsvoll, dass wir eine starke SPD kriegen, die dann sicherstellt, dass es am Ende auch für Rot-Grün reicht", sagte Kraft bei n-tv.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte zum Finale in Bochum die Verdienste Krafts hervorgehoben. Mit ihrer Wahl zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden 2009 habe der Aufstieg der Sozialdemokratie begonnen. Seitdem habe die SPD in vielen Bundesländern Erfolge gefeiert. "Das wollen wir fortsetzen", sagte Gabriel in Bochum im Beisein Krafts.
Berliner Unterstützung für Lindner
Vor allem die Zukunft der seit langem kriselnden FDP unter ihrem umstrittenen Bundesvorsitzenden, Vizekanzler Philipp Rösler, steht im Fokus der Landtagswahl. FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner erhält heute bei einer Kundgebung in Düsseldorf noch einmal von seinem Parteichef. Auch Außenminister Guido Westerwelle hat sich angesagt. Nach einer Schwächephase in Umfragen kann die FDP inzwischen wieder damit rechnen, im Landtag zu bleiben.
Um die mindestens 181 Sitze im NRW-Landtag bewerben sich 1085 Kandidaten. 17 Parteien treten mit Landeslisten an. Zu den Schwerpunktthemen gehörten im Wahlkampf Schule, Bildung, Kita-Plätze, Energie- und Industriepolitik, Arbeit sowie Haushalten und Sparen. Nachdem der rot-grüne Haushalt am 14. März an der geschlossenen Opposition von CDU, FDP und Linken gescheitert war, hatte sich der Landtag erstmals in seiner Geschichte aufgelöst – und damit die Neuwahl nötig gemacht.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa