Streik in Syriens Protesthochburg Nichts geht mehr in Hama
05.06.2011, 14:34 Uhr
Archivbild von Protesten in Talbiseh in der Provinz Homs.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Dutzende Menschen lassen in der syrischen Protesthochburg Hama ihr Leben, weil sie gegen die Regierung demonstrieren. Die Bewohner der Stadt antworten darauf nun mit einem dreitägigen Generalstreik. Nach Angaben von Menschenrechtlern sterben am Wochenende etwa 100 Zivilisten im ganzen Land. Reformangebote Assads lehnt die Opposition ab.
Die Protestdemonstrationen in Syrien werden immer größer. Gleichzeitig nimmt auch die Brutalität zu, mit der das Regime von Präsident Baschar al-Assad gegen die Regimegegner vorgeht. Auf internationale Appelle für ein Ende des Blutvergießens reagierte die Führung in Damaskus nicht. Seit Freitag wurden nach Informationen von Menschenrechtsgruppen und Regimegegnern rund 100 Zivilisten getötet.
Aus Protest gegen die Polizeigewalt traten die Einwohner der Stadt Hama in einen dreitägigen Generalstreik. Das öffentliche Leben sei komplett lahmgelegt, berichteten Einwohner aus der Hochburg der Rebellion gegen Assad. Allein in Hama hatten Sicherheitskräfte am Freitag nach Angaben der Opposition mindestens 48 Menschen getötet. Menschenrechtler nannten eine höhere Opferzahl. Am Samstag trugen dort laut Oppositionellen Hunderttausende die Opfer zu Grabe.
"Wir sind seit Samstag im Generalstreik als Zeichen der Trauer um unsere gefallenen Märtyrer", sagte ein Einwohner. "Alles ist geschlossen, selbst die Supermärkte". Nach seinen Angaben haben sich die Sicherheitskräfte an den Stadtrand zurückgezogen. In Hama hatte Assads Vater Hafis als Präsident des Landes 1982 einen islamistischen Aufstand niederschlagen lassen. Dabei wurden bis zu 30.000 Menschen getötet.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich "zutiefst beunruhigt" über die steigende Zahl von Todesopfern. Der UN-Chef forderte eine "umfangreiche, unabhängige und offene Untersuchung aller Fälle". Besonders alarmiert sei er über Berichte, nach denen "Kinder unter Folter, durch Scharfschützen und Granatfeuer" ums Leben kamen.
Zehntausende Menschen auf den Straßen
Sieben Menschen wurden in Rastan im Zentrum des Landes getötet, teilte eine Menschenrechtsorganisation mit. Die Stadt wird seit einer Woche von Panzern belagert. Zudem wurden auch in der nordwestlichen Provinz Idlib zwei Menschen und in Damaskus eine Person getötet.
Nach dem Freitagsgebet hatten landesweit zehntausende Menschen im ganzen Land gegen die syrische Führung demonstriert, es waren die größten Kundgebungen seit Beginn der Revolte Mitte März. Allein in Hama sollen Menschenrechtsaktivisten zufolge 50.000 Menschen an den Protesten teilgenommen haben. Die Sicherheitskräfte eröffneten demnach das Feuer auf die Kundgebung.
Die amtlichen Zeitungen meldeten wie üblich, "bewaffnete Banden" hätten am Freitag 20 Menschen getötet, darunter auch Vertreter der Sicherheitskräfte. Überprüfen lassen sich die Berichte nicht, da sich ausländische Journalisten nicht mehr frei im Land bewegen können. Auch das Internet war in weiten Teilen Syriens unterbrochen, funktioniert aber mittlerweile wieder.
In der Nacht zum Sonntag schossen derweil Assad-Getreue auf rund 7000 Demonstranten, die in der ostsyrischen Stadt Deir al-Sor eine Statue von Assads verstorbenen Vater Hafes umstürzen wollten. Zahlreiche Menschen wurden Anwohnern zufolge verletzt.
Trauerfeier in Hama bleibt ruhig
Am Samstag versammelten sich zwischen 100.000 und 150. 000 Menschen in Hama, um an der Trauerfeier für die Opfer teilzunehmen. Die Sicherheitskräfte schritten den Berichten zufolge nicht ein. Bei einem weiteren Trauerzug in der Ortschaft Dschirs al-Schughur unweit von Idleb wurden dagegen erneut drei Einwohner erschossen, wie ein Aktivist vor Ort berichtete.
Präsident Assad hatte am vergangenen Dienstag eine Generalamnestie für alle politischen Häftlinge verkündet und damit eine wichtige Forderung der Demonstranten erfüllt. Seitdem wurden nach Berichten syrischer Nichtregierungsorganisationen hunderte Gefangene freigelassen. Nach den Worten der Opposition kommt die Maßnahme sowie das Angebot der syrischen Führung zu einem "nationalen Dialog" "zu spät". Sie fordert weiter den sofortigen Rücktritt Assads und freie Wahlen.
Menschenrechtlern zufolge starben seit Beginn der Aufstände insgesamt mindestens 1100 Menschen durch Schüsse von Assads Truppen. In Brüssel tagten am Wochenende rund 200 Exil-Oppositionelle, um der Revolte ihre Unterstützung zu versichern.
Quelle: ntv.de, AFP