Atomwaffengegner in Oslo geehrt Nobelpreisträger kritisieren Deutschland
10.12.2017, 16:52 Uhr
Die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow (Mitte) und Ican-Direktorin Beatrice Fihn (rechts) erhalten von Berit Reiss-Andersen vom Nobelpreis-Komitee den Friedensnobelpreis.
(Foto: dpa)
Für sein Engagement gegen Atomwaffen wird dem Bündnis Ican in Oslo der Friedensnobelpreis überreicht. Kurz zuvor wenden sich die Aktivisten an Deutschland und kritisieren dessen "fatale Nuklearallianz mit den USA". Auch in Stockholm finden Ehrungen statt.
Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican) hat den Friedensnobelpreis verliehen bekommen. Ican-Direktorin Beatrice Fihn nahm den Preis bei der feierlichen Zeremonie im Rathaus von Oslo gemeinsam mit einer Überlebenden des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, der 85-jährigen Japanerin Setsuko Thurlow, entgegen.
Kurz vor der Entgegennahme des Preises hatte Ican die Bundesregierung zur Ächtung aller Atomwaffen aufgerufen. Es sei eine "Schande", dass Deutschland den UN-Vertrag zum weltweiten Verbot atomarer Waffen boykottiere, kritisierte Sascha Hach aus dem Vorstand von Ican Deutschland. Er warf Deutschland vor, sich an eine "fatale Nuklearallianz mit den USA" zu klammern.
Die Bundesregierung müsse sich "auch im Sicherheitsinteresse Deutschlands endlich von der Abschreckung und der gefährlichen Eskalationspolitik" von US-Präsident Donald Trump lösen und dafür sorgen, dass die Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden, forderte Hach. Der Friedensnobelpreis komme "genau im richtigen Moment und ermutigt uns, Widerstand zu leisten und Atomwaffen sofort zu ächten".
"Gegengewicht zu Trump und Kim"
Die 2007 als Zusammenschluss von mehr als 300 Nichtregierungsorganisationen gegründete Ican hatte sich maßgeblich für den im Juli von 122 UN-Staaten unterzeichneten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen eingesetzt. Der Friedensnobelpreis für Ican setzt deshalb auch die vermutlich neun Atommächte und ihre Partner unter Druck.
Die westlichen Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich schickten entgegen der Tradition auch nicht ihre Botschafter, sondern weniger hochrangige Repräsentanten zur Zeremonie nach Oslo. "Der Vertrag hat mächtige Gegner, doch die Idee, Atomwaffen zu verbieten und abzuschaffen, ist weder neu noch naiv", sagte Nobeljurorin Berit Reiss-Andersen. Für Deutschland würde ein Beitritt zu dem Abkommen bedeuten, dass die mutmaßlich bis zu 20 im rheinland-pfälzischen Büchel stationierten US-Atombomben abgezogen werden müssten.
Ican-Vorstandsmitglied Hach verwies auf die konkrete Gefahr einer atomaren Eskalation zwischen Nordkorea und den USA. "Das internationale Atomwaffenverbot ist das Gegengewicht zu Donald Trump und Kim Jong Un", erklärte er mit Blick auf die Staatschefs der beiden Länder.
Ican war der Nobelpreis Anfang Oktober zugesprochen worden. Die Kampagne mache auf die "katastrophalen humanitären Folgen" von Atomwaffen aufmerksam und versuche mit "bahnbrechenden Bemühungen", ein Verbot solcher Waffen auf Basis eines Vertrags zu erreichen, hieß es damals in der Begründung. Für den Einsatz gegen Atomwaffen wurden bereits zwölf andere Friedensnobelpreise vergeben.
Auch Preise für Wissenschaften und Literatur überreicht
In Stockholm wurden derweil die Nobelpreise in Medizin, Physik, Chemie und Literatur verliehen. Auch der inoffizielle Preis für Wirtschaftswissenschaften wurde bei der Zeremonie mit Schwedens König Carl XVI. Gustaf am Sonntag überreicht. Den Literaturnobelpreis nahm der in Japan geborene britische Schriftsteller Kazuo Ishiguro entgegen, der für seine emotionalen Romane geehrt wurde, bei denen viel zwischen den Zeilen verborgen sei.
Mit dem Preis in Chemie wurden der Schweizer Jacques Dubochet, der Deutsch-Amerikaner Joachim Frank und der Brite Richard Henderson für die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie ausgezeichnet. Den Nobelpreis in Physik überreichte König Carl XVI. Gustaf den US-Amerikanern Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne für den Nachweis der Gravitationswellen. Für die Erforschung der Inneren Uhr nahmen die US-Amerikaner Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young den Medizin-Nobelpreis entgegen.
Den Preis für Wirtschaftswissenschaften ging in diesem Jahr ebenfalls wieder an einen US-Amerikaner. Richard Thaler nahm ihn für seine Beiträge zur Verhaltensökonomie entgegen. Die Preise werden traditionell am Todestag des Stifters Alfred Nobel (1833-1896) verliehen. Sie sind mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 900.000 Euro) dotiert.
Quelle: ntv.de, fhe/AFP/dpa