Politik

Hat Romney Frau auf dem Gewissen? Obama-Unterstützer schlagen zu

Bill Burton ist mit "Priorities USA" für eigenständige Obama-Kampagnen verantwortlich.

Bill Burton ist mit "Priorities USA" für eigenständige Obama-Kampagnen verantwortlich.

(Foto: REUTERS)

Der US-Wahlkampf wird schmutziger und aggressiver. Eigenmächtige Unterstützer von Barack Obama beschuldigen Mitt Romney per TV-Spot, für den Tod einer Frau verantwortlich zu sein. Die aggressive Rhetorik könnte Obama schaden. Dazu kommt: Die Geschichte stimmt hinten und vorne nicht.

Hat Mitt Romney das Leben einer Frau auf dem Gewissen? Das jedenfalls behauptet der neue Wahlkampfwerbespot von "Priorities USA", einem Super Pac, der US-Präsident Barack Obama unterstützt. Weil ihr Ehemann Joe durch Romneys Ex-Firma Bain Capital seinen Job und damit seine Gesundheitsversicherung verloren habe, sei Ranae Soptic aus Missouri nicht zum Arzt gegangen, behauptet der Spot. Sie starb einige Jahre später an einem Krebsleiden, das zu spät diagnostiziert wurde. Schwere Vorwürfe, die Romneys Wahlchancen schmälern sollen – doch sind sie alles andere als wahrheitsgemäß.

Denn nach Prüfung mehrerer US-Medien ist der Inhalt des 60-Sekünders wohl deutlich überzogen. Glenn Kessler, der Fakten-Checker der "Washington Post" geht sogar noch weiter: Der Spot "dehnt in jeder Hinsicht die Grenzen des gesunden Menschenverstandes und des Anstandes".

Spiel mit der Wahrheit

Zwar sei Joe Soptic tatsächlich entlassen geworden, nachdem sein Arbeitgeber GST Steel in Kansas City, Missouri, 2001 bankrottging. Bain Capital, damals unter Romneys Führung, hatte den Betrieb rund acht Jahre zuvor gekauft und trotz dessen Niedergang Millionen damit verdient. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters verloren die Angestellten ihre Abfindungen und einen großen Teil der Sozialleistungen. "Ich glaube nicht, dass Romney versteht, was er angerichtet hat, als er das Stahlwerk schloss", sagt Soptic im Werbespot.

Doch in Wirklichkeit hatte Romney Bain Capital bereits 1999 und damit vor der Firmenpleite von GST Steel verlassen. Der Manager ging damals nach Salt Lake City, um die in Schieflage geratene Organisation der Olympischen Spiele zu retten. Obamas Wahlkampfteam benutzt das Beispiel der Stahlfirma in Kansas City dennoch immer wieder, um Romneys Image als gewiefter Wirtschaftsexperte zu untergraben. Bereits vor einigen Wochen schaltete die Kampagne des Präsidenten einen Wahlkampfspot, in dem die Geschichte von GST Steel erzählt wurde – unter anderem mit Joe Soptic als Belastungszeuge.

Ehefrau hatte Versicherung

Über die wirtschaftlichen Hintergründe könne man sich streiten, schreiben nun die Rechercheure der unabhängigen Prüfungsorganisation "FactCeck.org". Doch was Joe Soptics Frau betrifft, überspannen die Macher des Spots den Bogen deutlich.

Denn Joe Soptics Frau habe wohl trotz der Arbeitslosigkeit ihres Mannes wenigstens eine Zeit lang noch ihre eigene Krankenversicherung gehabt, berichtet der Nachrichtensender CNN. Ihr Krebs wurde erst fünf Jahre später gefunden. Ranae Soptic starb 2006. Ihr Mann soll außerdem in der Zwischenzeit bereits einen anderen Job gefunden haben, bei dem er eine Krankenversicherung gehabt haben soll.

"Verrufen und unehrlich"

Die Romney-Kampagne reagierte umgehend. "Verrufen und unehrlich" sei der Angriff, so ein Sprecher des Ex-Gouverneurs. Die Regierung wolle lediglich ihre "miserable Wirtschaftspolitik vertuschen."

Obamas Strategen gehen derweil in Deckung. Man kenne die Details des Werbespots nicht, so sein Berater und Ex-Sprecher Robert Gibbs. Stephanie Cutter, die sonst so aggressive Kampagnenmanagerin Obamas, gab sich ebenfalls wortkarg. "Ich weiß nicht, wann die Frau von Herrn Soptic krank wurde oder wie es um seine Krankenversicherung stand."

Vor ein paar Monaten kannte Cutter diese Details allerdings noch sehr genau. Bei einer Telefonkonferenz im Mai erzählte sie Reportern die ganze, traurige Geschichte der Familie Soptic. Und so versuchte sich das Wiederwahl-Team des Präsidenten sogleich in einer neuen Abwehrstrategie. Man habe den Spot nicht produziert, so ein Sprecher der Kampagne. Dahinter stecke bekanntlich der Super Pac "Priorities USA", und "mit dem dürfen wir uns ja nicht absprechen".

Unkontrollierbare Schattenkrieger

Darin liegt das eigentliche Problem dieser Geschichte, in der Obama gerade nicht gut aussieht, die sich jedoch nahtlos einfügt in einen Wahlkampf, der zunehmend nicht mehr in den Händen der Kandidaten liegt.

Es sind Super Pacs wie "Priorities USA" (Demokraten) oder gemeinnützige PR-Organisationen wie "Crossroads GPS" (Republikaner), die mit oft anonymen Millionenspenden die Wähler beeinflussen wollen. Nach Schätzungen des unabhängigen Forschungsinstituts "Open Secrets" haben diese Gruppen bereits fast 250 Millionen Dollar in den Wahlkampf gepumpt. Das meiste Geld wird für TV-Werbung ausgegeben, die einem der beiden Kandidaten zuarbeiten. Ihre Spots fallen jedoch fast immer negativer und aggressiver aus, als es sich die Kandidaten selbst je trauen würden.

Offen koordinieren dürfen sie sich die offiziellen Kampagnen und ihre inoffiziellen "Schattenarmeen" nicht. Brauchen sie aber auch nicht. "Priorities USA" wird zum Beispiel von Bill Burton und Sean Sweeney geführt. Burton war einst Sprecher des Weißen Hauses unter Obama. Und Sweeney war Berater von Rahm Emanuel, dem ehemaligen Stabschef von Obama. Viel Gesprächsbedarf über politische Ziele wird es da wohl kaum geben.

Quelle: ntv.de

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