Eindringliche Syrien-Rede an die Nation "Obama will Parallelen zum Irak vermeiden"
11.09.2013, 11:34 Uhr
Barack Obama könnte auch alleine über Krieg und Frieden entscheiden.
(Foto: imago stock&people)
Der US-Präsident wirbt um Unterstützung für einen Militärschlag, legt aber wieder keine Beweise für die Schuld der syrischen Regierung vor. Der USA-Experte Sebastian Feyock erklärt im Interview mit n-tv.de, was Barack Obama mit seiner Rede erreichen möchte.
n-tv.de: Der letzte diplomatische Versuch, einen Militärschlag gegen Syriens Präsident Baschar al-Assad zu vermeiden, läuft. Warum wendet sich Barack Obama in dieser Situation mit einer Ansprache an sein Volk?
Sebastian Feyock: Er weiß, dass ein Militärschlag sehr unpopulär in den USA wäre. Die Bevölkerung ist nach den Erfahrungen im Irak und in Afghanistan kriegsmüde. Obama hat immer betont, dass er die Truppen nach Hause holt und für den Frieden einsteht. Darum möchte er nun die Zustimmung durch den Kongress. Die Umfragen aus den vergangenen Tagen legen aber nahe, dass der Kongress einen Militärschlag kritisch sieht. Umstimmen kann Obama ihn nur, wenn auch das Volk in gewissem Maße hinter ihm steht.
Obama sprach wieder die eindeutigen Indizien an, die beweisen sollen, dass die Assad-Regierung für den Giftgaseinsatz verantwortlich ist. Man wisse, von wo die Gasraketen abgeschossen wurden und dass vorher Gasmasken an die Regierungstruppen verteilt wurden. Warum legte Obama seine Indizien wieder nicht vor?
Ich denke, dass die US-Regierung Parallelen zur Vorgeschichte der Irak-Intervention vermeiden möchte. Darum wird wohl ganz bewusst darauf verzichtet, öffentlich Bilder zu zeigen. Obama hat allerdings dazu aufgefordert, sich die Videos anzusehen, die im Internet stehen. Die geheimdienstlichen Informationen wurden den Abgeordneten in Hintergrundgesprächen dargelegt.
Viele Kritiker fühlen sich dennoch an den Irak-Krieg erinnert.
Die Situation ist eine ganz andere: Es geht nicht darum, Assad zu stürzen oder einer der Bürgerkriegsparteien zum Sieg zu verhelfen. Den USA geht es darum, Assad für den Chemiewaffeneinsatz zu bestrafen und ihn von weiteren Einsätzen abzuhalten.
Obama sagte mehrfach, die USA seien keine Weltpolizei. Wie passt das mit dem geplanten Militärschlag zusammen?
Diese Aussage ist an das amerikanische Volk gerichtet, das weiteren Militäreinsätzen sehr kritisch gegenübersteht. Gleichzeitig hat sich Obama immer für das internationale Völkerrecht eingesetzt und betont, dass ein solch massiver Bruch des Völkerrechts Konsequenzen haben muss. Er hat auch noch einmal betont, wie viele Staaten dem Chemiewaffenabkommen beigetreten sind und dass sich das Assad-Regime in dieser Hinsicht außerhalb der Norm bewegt, wenn es Chemiewaffen einsetzt.
Wenn die USA den Einsatz von Chemiewaffen nicht bestrafen, sei am Ende auch die Sicherheit der USA bedroht, sagt Obama. Können Sie dieser Argumentation folgen?
Wenn die Chemiewaffen nicht unter internationale Kontrolle gestellt werden, gibt es die Möglichkeit, dass sie irgendwann in die Hände von stärker antiamerikanisch eingestellten Gruppen fallen. Und dann könnten sie auch gegen die USA und ihre Verbündeten eingesetzt werden. Außerdem sagt Obama, dass wenn der Chemiewaffeneinsatz nicht bestraft wird, andere Regime vor dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen weniger zurückschrecken.
Durch eine Bombardierung würde Assad im Vergleich zu den Rebellen geschwächt. Dadurch steigt doch die Gefahr, dass die Rebellen irgendwann die Chemiewaffendepots einnehmen können.
Strategisch ist das wirklich ein sehr schmaler Grat. Man will Assad bestrafen, aber nicht so weit schwächen, dass die Rebellen auf einmal die Oberhand gewinnen.
Obama hätte die Macht dazu, alleine über den Einsatz zu entscheiden. Stattdessen befragt er das Parlament und muss nun mit viel Aufwand Abgeordnete und Bevölkerung überzeugen. Warum macht er das?
Er will für diese Entscheidung so viel politische Unterstützung wie möglich - gerade, nachdem die Briten ihre Unterstützung verweigert haben. In den USA ist der Kongress bislang gespalten. Sollte Obama jetzt ohne Unterstützung des Parlaments handeln, das ist durchaus noch möglich, würde er viel politisches Kapital verspielen. Seinen großen innenpolitischen Projekten würde das schaden.
Mit Sebastian Feyock sprach Christoph Herwartz
Quelle: ntv.de