Warum die Skandale den US-Präsidenten isolieren Obamas moralisches Konto ist leer
16.05.2013, 16:02 Uhr
US-Präsident steht nach den politischen Skandalen zunehmend unter Druck.
(Foto: REUTERS)
Seine zweite Amtszeit dauert erst einige Monate. Doch plötzlich schlittert Barack Obama in seine schwerste Krise. Die Steuer-Affäre und die Bespitzelung von Journalisten sind für den 44. US-Präsidenten gefährlich, die Folgen noch nicht absehbar. Auf dem Spiel steht sein letzter Trumpf.
Diese Steilvorlage ließ sich Jon Stewart nicht entgehen. Der Moderator der "Daily Show", der als Liberaler gilt, flachste: "Ich würde mich nicht wundern, wenn Barack Obama von Osama Bin Ladens Tod erst erfuhr, als er sich selbst im Fernsehen sah, wie er den Tod verkündete." Sechs Monate nach seiner Wiederwahl haben die Amerikaner nur noch Spott übrig für ihren Präsidenten.
Was ist passiert? Zu Wochenbeginn brachen fast zeitgleich zwei Skandale auf Obama herein. So hatte die amerikanische Steuerbehörde IRS konservative Gruppen wie die Tea Party jahrelang bewusst benachteiligt. Zudem ließ das US-Justizministerium über Wochen die Telefone mehrerer Journalisten der Nachrichtenagentur Associated Press abhören. Hintergrund war ein unliebsamer Bericht über einen von der CIA vereitelten Terroranschlag im Jemen. Viele Kritiker witterten einen roten Faden, allzu deutlich erschienen die Hinweise auf eine systematische Jagd nach regierungskritischen Umtrieben. Aber damit nicht genug. Denn was folgte, war ein PR-Desaster.
"Die Amerikaner sind darüber zu Recht verärgert"
Zu Wochenbeginn bezeichnete Obama die Vorwürfe noch als "politischen Zirkus". Später ging er zur nächsten Stufe über und versicherte, nichts von den Praktiken gewusst und erst aus der Zeitung davon erfahren zu haben. Das Fehlverhalten der Behörde sei empörend. Die IRS sei schließlich eine "unabhängige Regierungsbehörde", von der "absolute Integrität" und Überparteilichkeit erwartet würden. Als Obama schließlich die Entlassung des IRS-Chefs Steven Miller bekannt gab, waren bereits einige Tage verstrichen. "Die Amerikaner sind darüber zu Recht verärgert. Auch ich bin darüber verärgert."
Obama reagierte daraufhin mit einem politischen Sofortprogramm. Er versprach eine bessere Aufsicht der IRS, damit sich "die Vorgänge" nicht wiederholen. Ein neues Gesetz soll außerdem den besseren Schutz journalistischer Quellen gewährleisten. Die Republikaner feixten ob des durchschaubaren Aktionismus. Die plumpe Salami-Taktik des Präsidenten schlug gnadenlos fehl.
Der Umgang mit Notlagen jeglicher Art ist für Obama wahrlich kein Neuland. Wenn er in den vergangenen viereinhalb Jahren eins gelernt hat, dann ist es wohl das Krisenmanagement. Die drückenden Staatsschulden, der Kampf gegen den Klimawandel, der Wirbelsturm Sandy: Die Katastrophen erwischten ihn bisher entweder völlig unvorbereitet oder er konnte nicht verantwortlich gemacht werden. Doch diesmal ist es anders. Obamas Ansehen ist wohl für seine restliche Amtszeit nachhaltig beschädigt.
Die Wucht des Bumerangs
Die Moral war sein steter Begleiter, seit Obama die politische Bühne betreten hat. "Unser Weg ist vielleicht härter, aber er führt an einen besseren Ort. Wir lassen niemanden zurück", hatte er zuletzt auch beim Demokraten-Parteitag im September 2012 großspurig erklärt. Obama punktete vor allem mit Sympathie. Das brachte ihn 2008 ins Weiße Haus und unterschied ihn vier Jahre später auch von seinem republikanischen Mitbewerber Mitt Romney.
Seine Redekunst mit bedeutungsschweren Vokabeln wie "Change" und "Hope" entfalteten nur deshalb ihre Wirkung, weil die Amerikaner den Visionen von einem neuen Amerika Glauben schenkten. Bis jetzt. Denn die Messlatte ist offenbar zu hoch. In diesen Tagen wird ausgerechnet Obamas größte Stärke zum Bumerang. Die jüngsten Affären erschüttern seine wichtigste politische Ressource: die Glaubwürdigkeit in seine moralische Integrität. Obama ist entzaubert, die Rolle des Unschuldigen nimmt ihm derzeit keiner ab.
Ohnehin war es zuletzt schon schwierig genug. So ließen die Republikaner Obama erst Mitte April bei der geplanten Verschärfung des Waffenrechts gnadenlos auflaufen. Im Kongress regiert er seit jeher gegen eine Mehrheit. Die politischen Verhältnisse lähmen jeglichen Gestaltungswillen. Aber bisher agierte der Präsident wenigstens in dem Glauben, die Mehrheit der Amerikaner hinter sich zu wissen. Doch selbst das ist jetzt nicht mehr sicher. Die Moral ist futsch. Das macht es von nun an noch schwerer.
Das Problem ist: Obama braucht die Republikaner. Spätestens wenn es beim Thema Staatsverschuldung in die nächste Runde geht, ist er wieder auf sie angewiesen. Der gebrochene Präsident: Die Spitzel- und die Steueraffäre machen ihn angreifbar wie nie zuvor. Die Republikaner werden ihn in den restlichen 44 Monaten bis zum Ende seiner Amtszeit immer wieder gern daran erinnern.
Quelle: ntv.de