EU-Rechtsstaatsverfahren Orban hält EVP-Ausschluss für möglich
14.09.2018, 10:16 Uhr
Der ungarische Ministerpräsident Orban hält einen Ausschluss seiner Partei aus der EVP selbst für möglich.
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Selbst die Abgeordneten der Europäischen Volkspartei stimmen im Europaparlament deutlich für die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn. Orban rechnet damit, dass das auch Konsequenzen für seine Fidesz-Partei haben könnte.
Nachdem das Europaparlament ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn eingeleitet hat, hält der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban den Ausschluss seiner Regierungspartei Fidesz aus der bürgerlichen Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei für möglich. Die Wahrscheinlichkeit dafür liege bei 50 Prozent, sagte Orban nach Angaben des Nachrichtensenders ATV auf einer Fraktionsklausur der rechts-nationalen Fidesz-Partei in Velence bei Budapest.
Der Sender bezog sich auf Aussagen von Teilnehmern der geschlossenen Sitzung. Demnach soll Orban auch behauptet haben, dass der Ausgang der Abstimmung im Europaparlament darauf zurückzuführen sei, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die Orban-Regierung "bestrafen" wollte. Das Europaparlament hatte das Verfahren wegen systematischer Verstöße der Budapester Regierung gegen Prinzipien der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eingeleitet.
Die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit war nur zustande gekommen, weil die EVP-Abgeordneten in deutlicher Mehrheit dafür gestimmt hatten: 448 EU-Abgeordnete stimmten für das Verfahren, 197 Parlamentarier waren dagegen - 48 enthielten sich. Ungarn stellt sich auf den Standpunkt, dass bei der Berechnung auch die Enthaltungen als abgegebene Stimmen bewertet werden müssen. Unter diesen Umständen wären 462 Stimmen für die Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen und die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 EU-Vertrag gescheitert. Im Falle einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wäre das Verfahren wohl vorerst blockiert.
Zuvor hatte Ungarn angekündigt, juristisch gegen den Beschluss des EU-Parlaments vorgehen zu wollen. Die Regierung des rechtskonservativen Orban werde am Montag "über die konkreten rechtliche Schritte" entscheiden, hatte Kanzleramtsminister Gergely Gulyas in Budapest gesagt. Dabei sei eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof die "wahrscheinlichste" Option.
Polen und Ungarn stützen sich gegenseitig
Das Verfahren, das am Ende zum Entzug der Stimmrechte Ungarns in den EU-Gremien führen könnte, liegt nun in den Händen der Staats- und Regierungschefs der Union. Für Sanktionen bestehen aber hohe Hürden, so etwa ein Einstimmigkeitsgebot - minus dem betroffenen Land - bei der letzten Abstimmung im Rat. Zugleich bedeutet die Einleitung eines Verfahrens wegen der Verletzung grundlegender Werte der EU einen Prestigeverlust für die Regierung des betreffenden Landes.
Die EU-Kommission hatte im vergangenen Jahr erstmals überhaupt ein Verfahren nach Artikel 7 gegen Polen eingeleitet. Grund waren eine Reihe umstrittener Reformen des polnischen Justizsystems. Für einen Stimmrechtsentzug in dem Verfahren ist allerdings auch hier ein einstimmiges Votum der EU-Mitgliedsstaaten notwendig. Ungarn hatte schon vor Jahren erklärt, dass es im Falle Polens Sanktionen mit seinem Veto blockieren würde.
Dies bekräftigte nun auch die polnische Regierung bei dem ungarischen Verfahren. "Wir werden im Fall einer Entscheidung über Sanktionen unser Veto einlegen", sagte Außenminister Jacek Czaputowicz bei einem Besuch in Litauen. Er warf der EU vor, "Druck auf die Länder in unserer Region auszuüben". Diese müssten deshalb "Solidarität in dieser Frage zeigen".
Quelle: ntv.de, nen/dpa/AFP