Kiew, Moskau, Peking Orbans "Friedensmissionen": PR oder Diplomatie?


Schöne Bilder für zuhause. Und natürlich für den Freund in Peking.
(Foto: dpa)
Was bezweckt Viktor Orban mit seinen Reisen nach Kiew, Moskau und Peking? PR in eigener Sache oder gar für die Machthaber in Russland und China? Oder haben die Gespräche einen Sinn? Möglich wäre das - wahrscheinlich ist es nicht.
Dienstag Kiew, Freitag Moskau, heute Peking: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat seine "Friedensmission" in China fortgesetzt. Dabei bleibt unklar, ob es sich um Show oder Diplomatie handelt. Die Vermarktung jedenfalls ist professionell.
Auf X zeigt Orban Videos seiner Besuche, geschnitten wie Filmtrailer, unterlegt mit dramatischer Musik. "Ein Besuch für den Frieden" wird im einminütigen Video über seine Visite beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eingeblendet. "Drei Stunden Verhandlungen" habe es dort gegeben - ganz so, als hätte Orban dort etwas zu verhandeln gehabt. Am Schluss das Happy End: Nach "24 Stunden Fahrt" kommt er wohlbehalten wieder in Ungarn an.
Nach Moskau konnte Orban immerhin fliegen: Das Werbevideo zu dieser Reise beginnt im Flugzeug. Passend zu seinem Verhältnis zum Gastgeber ist die Musik hier nicht ganz so dramatisch, die Schnitte allerdings ebenso auf den Effekt angelegt - warum sonst wird ein Bild von zwei Kronleuchtern eingeblendet, die sich mutmaßlich im Kreml befinden?
Das Video aus Peking ist nicht ganz so professionell - es beginnt damit, dass Orban selbst in die Kamera spricht: "Nach Kiew und Moskau melde ich mich aus Peking, der dritten Station meiner Friedensmission." Danach setzt asiatisch anmutende Musik ein, immer wieder unterbrochen von Orbans Kommentaren. Anders als die EU und die USA habe China sich "eindeutig von Anfang an für Frieden eingesetzt", behauptet der Ungar unter anderem. "Präsident Xi hat heute klargemacht, dass er seine Bemühungen weiterführen will, um Frieden zu schaffen. Wir sind nicht allein! Wir werden unsere Arbeit fortführen."
Er brauche kein Mandat, sagt Orban
Dass Orban seine "Friedensmission" werbewirksam inszeniert und seiner Reise nach Peking den Titel "Friedensmission 3.0" gibt, bedeutet nicht automatisch, dass sie sinnlos ist. "Was man klar sagen muss: Jede Initiative, die dazu dient, diesen schrecklichen Krieg zu beenden, ist zu begrüßen", sagt der österreichische Oberst und Militärexperte Markus Reisner, der an der Theresianischen Militärakademie in Wien Offiziere ausbildet und wöchentlich bei ntv.de den russischen Krieg in der Ukraine analysiert. "Die Frage ist allerdings, ob das, was Viktor Orban tut, ehrlich gemeint und mit den anderen europäischen Staaten abgestimmt ist. Zumindest Letzteres scheint nicht der Fall zu sein."
Denn Orban nutzt für seine Videos und Fotos zwar das Logo der ungarischen Ratspräsidentschaft, hat sich aber nicht mit der EU abgestimmt. Er brauche kein Mandat, sagt Orban dazu, er wolle nur als "Werkzeug" für die ersten Schritte zum Frieden dienen. Putin empfing seinen Freund trotzdem wie einen Abgesandten der Europäischen Union: "Ich verstehe, dass Sie diesmal nicht nur als unser langjähriger Partner, sondern auch als amtierender Ratspräsident der EU hierherkommen", sagte der Kremlchef zur Begrüßung.
Die Friedensforscherin Nicole Deitelhoff, Chefin des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main, sieht Orbans Motive kritisch. "Wirklich ernst nehmen muss man diese Initiative nicht", sagt sie ntv.de. "Er macht diese Reisen, um seine Agenda der guten Beziehungen zu Russland und China voranzutreiben. Das kommt vor allem ihm zugute - sowohl bei seinen Anhängern als auch mit Blick auf die Beziehungen zu den beiden Autokratien."
"China hat einen Friedensplan, Amerika hat eine Kriegspolitik"
Russland versorgt Ungarn weiter mit Pipelinegas; das Land gilt als Trojanisches Pferd Russlands in der EU und als Chinas Fuß in Europa. Wie ein Sprachrohr Pekings klingt Orban denn auch in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung. "China hat einen Friedensplan, Amerika hat eine Kriegspolitik", sagt er darin. Europa folge den USA, nicht seinen eigenen Interessen. Kritik an Russland? Fehlanzeige. Über Putin sagt Orban, dieser könne den Krieg gar nicht verlieren, das sei "sehr logisch". Es gibt durchaus Experten, die diese Meinung teilen - aber vor allem dann, wenn die Ukraine weiterhin nur halbherzig vom Westen unterstützt wird.
Der Kölner Politologe Thomas Jäger weist darauf hin, dass Orbans Mission nicht nur ein europäisches, sondern auch ein amerikanisches Publikum hat: Den europäischen Rechtsparteien wolle Orban zeigen, "wie bedeutend er ist, und damit sein Standing aufpolieren", sagt Jäger. "Mit einem Auge schielt er zugleich in die USA. Er geht davon aus, dass Trump Präsident wird, und dann wäre er gerne seine erste Ansprechstation in Europa." Wenn der Republikaner die Präsidentschaftswahl im November gewinnt, könnte Orban darauf hoffen, die "eine Rolle zu spielen, die ihn über die anderen EU-Regierungschefs erhebt, als Trumps Vertrauter". Das würde ihm wiederum in der EU helfen, "denn wer das Ohr des amerikanischen Präsidenten hat, kann hier Einfluss gewinnen".
"Putin und Xi nehmen Orban als Vermittler nicht ernst"
Aber könnten Orbans "Friedensmissionen" trotzdem erfolgreich sein? Nicole Deitelhoff glaubt das nicht: "Putin und Xi nehmen Orban als Vermittler nicht ernst, Sie wissen um den PR-Charakter dieser Reise. Sie schätzen aber sicher Orbans Versuche, die EU als gespalten darzustellen."
Auch Reisner ist skeptisch, was das Ergebnis von Orbans Reisen angeht. Die Fronten seien bekannt und dürften sich auch durch seine Besuche bei Selenskyj, Putin und Xi nicht verändern. "Selenskyj sagt weiterhin, dass die Ukraine nicht bereit ist, einen Diktatfrieden zu schließen. Sie ist nicht bereit, auf die von Russland annektierten Regionen zu verzichten. Putin sieht sich offensichtlich weiterhin auf der Gewinnerstraße und ist nicht bereit zu Verhandlungen, weil er zunehmend davon überzeugt ist, seine Ziele auf dem Schlachtfeld erreichen zu können. Und nach seinem Besuch in China wird Orban uns wissen lassen, dass die Chinesen grundsätzlich für eine Beendigung des Konflikts sind und außerdem Verständnis für beide Seiten fordern. Auch das wäre nichts Neues."
Tatsächlich forderte Putin auch bei Orbans Besuch nichts weniger als eine Kapitulation der Ukraine: Sie soll ihre Truppen aus den Gebieten abziehen, die Russland völkerrechtswidrig annektiert, aber nicht komplett erobert hat. Warum Selenskyj bereit sein sollte, noch größere Stücke der Ukraine aufzugeben, als die Russen derzeit besetzt halten, erklärte Orban nicht. Im Interview mit der "Bild"-Zeitung hatte er auf die Frage, wie es Frieden geben könne, nur Plattitüden: "Der Weg zum Frieden beginnt damit, dass diejenigen, die sich im Krieg oder in der Nähe des Kriegs befinden, Frieden wollen."
Jäger ist sicher, dass Orban allein im Krieg zwischen Russland und der Ukraine nichts bewegen kann. "Das kann er nur, wenn er auf Trumps Schultern steht. In dieser Frage wird er nur dann ernst genommen." Für Russland und China sei Orban gleichwohl ein wichtiger Verbündeter. "Für Russland, weil das NATO- und EU-Mitglied Ungarn hier immer wieder nützlich sein kann, wenn es um Informationen und Entscheidungen geht. Für China, weil Ungarn inzwischen das wichtige Einfallstor in die EU ist."
Quelle: ntv.de