Griechenland steht vor Neuwahlen Papoulias hat noch eine Chance
12.05.2012, 15:57 Uhr
Müssen die Griechen erneut an die Urnen? Und tritt das Land aus der Euro-Zone aus?
(Foto: AP)
Ein Politiker nach dem anderen scheitert an der Aufgabe, nach den griechischen Parlamentswahlen eine tragfähig Regierung zu bilden. Nun versucht Präsident Papoulias, eine Einigung zu erzielen. Scheitert er, stehen Neuwahlen an. Bundesfinanzminister Schäuble spekuliert derweil über weitere EU-Hilfen, rechnet aber auch einen Euro-Austritt Athens mit ein.
Nachdem auch die Sozialisten in Griechenland an der Regierungsbildung gescheitert sind, hat Präsident Karolos Papoulias für Sonntag die Chefs der drei wichtigsten Parteien des Landes einberufen. An den Gesprächen sollten die sozialistische Pasok, die konservative Nea Dimokratia (ND) und die linksradikale Syriza-Partei teilnehmen, erklärte Papoulias in Athen. Er wolle am Sonntag anschließend auch mit Vertretern kleinerer im Parlament vertretener Parteien sprechen. Es ist die letzte Chance, in dem Euro-Krisenland Neuwahlen zu verhindern.
Vor der Erklärung von Papoulias hatte Pasok-Chef Evangelos Venizelos das Mandat zur Regierungsbildung zurückgegeben. Papoulias äußerte sich skeptisch zu den Chancen einer Regierungsbildung. "Ich hoffe, dass ich zur Lösung beitragen kann", sagte er nach dem Treffen mit Venizelos. Vor diesem hatten es bereits Nea Dimokratia und Syriza nicht geschafft, eine Koalition auf die Beine zu stellen. Sollte nun auch Papoulias scheitern, finden Neuwahlen statt. Als mögliche Termine werden der 10. oder der 17. Juni genannt.
Die gemäßigten Parteien wollen Griechenland in der Euro-Zone halten, aber das rigide Sparprogramm aufweichen. Für eine starke Parlamentsmehrheit wollten sie die Radikale Linke ins Boot holen. Deren Chef Alexis Tsipras, blieb jedoch hart und forderte, Athen müsse das Sparprogramm auf Eis legen. Tsipras', dessen Bündnis am vergangenen Sonntag zweitstärkste Kraft geworden war, interpretierte das Wahlergebnis als Auftrag des Volkes an seine Partei, das Sparprogramm zu beenden. Neuesten Umfragen zufolge sank jedoch die Zustimmung für die Radikale Linke leicht, obwohl die Partei weiterhin deutlich führt. Sozialdemokraten und Konservative legten demnach leicht zu.
"Ausdruck einer tiefen psychologischen Krise"
"Im Moment scheint in Griechenland eine Regierungsbildung nicht möglich", sagte der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz von der SPD, dem "Hamburger Abendblatt". Die Zersplitterung der Parteienlandschaft sei "Ausdruck einer tiefen psychologischen Krise" und kein Nein zur EU. "Wenn das neue Parlament keine funktionierende Regierung zustande bringt, ist es besser, noch mal zu wählen und die 40 Prozent Nichtwähler an die Urnen zu bringen."
Schulz warb für weitere Finanzhilfen für Griechenland. "Wir wollen das Land stabilisieren und keinen Zusammenbruch auslösen, dessen Domino-Effekte wir nicht kennen." Zum Sparen müssten jedoch Wachstumsimpulse kommen. "Griechenland ist ein geeignetes Land für die Solarenergie", sagte Schulz. Athen müsse Netze ausbauen, um den Strom zu exportieren - bis nach Deutschland. Man könnte junge Leute in Infrastruktur-Projekten und im Umweltschutz beschäftigen.
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sagte, die europäischen Partner müssten ihren Zeitplan auf den Prüfstand stellen und die Verträge mit Griechenland im Zweifel nachbessern. Sollte sich die Regierungsbildung weiter verzögern oder sollte es Neuwahlen geben, brauche Griechenland mehr Zeit. Diese müsse ihr eingeräumt werden. Am vereinbarten harten Sparkurs führe jedoch kein Weg vorbei.
Er habe kein Problem damit, dass Griechenland zum Beispiel ein Jahr mehr zur Umsetzung des vertraglich vereinbarten Konsolidierungsprogramms bekomme, sagte der luxemburgische Regierungschef. Dies müsse aber auf europäischer Ebene erst ausverhandelt werden. "Wir werden über den Zeitplan der griechischen Staatssanierung erst mit einer fest zusammengefügten griechischen Regierung reden können", sagte Juncker. "Wir können jetzt nicht in Verhandlungen mit den einzelnen griechischen Parteien treten. Das wird nicht möglich sein."
Weitere Hilfsgelder im Gespräch
Aus Sicht von Bundesaußenminister Guido Westerwelle muss Deutschland "ein höheres Maß an Sensibilität" zeigen. Dies sei im Fall Griechenlands hier und da nicht geschehen. "Der Aufruf an die Griechen, ihre Inseln zu verkaufen, war verheerend", sagte der FDP-Politiker der "Welt". "Wir müssen mit Athen ruhig, sachlich und dennoch bestimmt verhandeln." Westerwelle machte aber weitere europäische Finanzhilfen vom Einhalten des Spar- und Reformkurses abhängig.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schloss weitere europäische Hilfen für Griechenland ausdrücklich nicht aus. "Wenn die Griechen eine Idee haben, was wir zusätzlich tun können, um das Wachstum zu fördern, kann man immer darüber sprechen und nachdenken", sagte Schäuble der "Welt am Sonntag". Im Kern gehe es aber darum, Griechenland wieder wettbewerbsfähig zu machen, die Wirtschaft wachsen zu lassen und den Weg zu den Finanzmärkten wieder zu öffnen.
Zugleich bestätigte er, dass sich die Bundesregierung auf einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone vorbereitet. "Wir können kein Land zwingen, im Euro zu bleiben. Natürlich wollen wir nicht, dass Griechenland aussteigt - ganz klar und ganz eindeutig", sagte der CDU-Politiker. Aber die Bundesregierung wäre "eine komische Regierung", wenn sie sich nicht auf alle denkbaren Fallkonstellationen vorbereiten würde. Schäuble rief die griechische Bevölkerung dazu auf, bei der sich abzeichnenden Neuwahl für den Reformkurs zu stimmen.
Pleite droht Ende Juni
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso machte klar, dass Griechenland mit einer Abkehr vom Reformkurs seine Euro-Mitgliedschaft verspielen würde. "Wenn sich ein Mitglied in einem Club nicht an die Regeln hält, ist es besser, dass es den Verein verlässt", sagte er im italienischen Fernsehen. Werden keine weiteren Milliardenhilfen an Athen gezahlt, wäre das Land Ende Juni pleite.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte Griechenland davor, Verträge mit dem Internationalen Währungsfonds IWF und der EU nicht einzuhalten. "Wenn Athen nicht zu seinem Wort steht, dann ist das eine demokratische Entscheidung. Daraus folgt aber auch, dass die Grundlage für weitere Finanzhilfen entfällt. Auch die Geberländer müssen sich gegenüber ihrer Bevölkerung rechtfertigen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone hätte "für Griechenland gravierendere Folgen als für den Rest der Euro-Zone".
Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Andreas Schmitz, warnte vor der Gefahr eines Ansteckungseffekts auf andere Staaten, falls Griechenland aus der Euro-Zone austritt. "Griechenland stellt zwar einen Sonderfall dar", sagte er dem "Focus". Es bestehe aber die Gefahr, dass Investoren den Austritt weiterer Länder befürchten und die Zinsen dieser Staaten kräftig anziehen. Es sei fraglich, "ob die internationalen Finanzmärkte im Falle eines Austritts Griechenlands die Lage differenziert genug betrachten werden".
Quelle: ntv.de, dpa/rts