Urteil in Prozess gegen Somalier Piraten müssen ins Gefängnis
19.10.2012, 14:49 Uhr
Die Angeklagten machten die humanitäre Lage in Somalia geltend, um sich zu verteidigen.
(Foto: dpa)
In Hamburg ist der erste Piratenprozess, der seit Jahrhunderten in Deutschland geführt wird, zu Ende gegangen. Zehn somalische Männer müssen für mehrere Jahre in Haft und sich damit für den Überfall des Frachters "Taipan" Anfang 2010 verantworten.
Das Hamburger Landgericht hat zehn Piraten aus Somalia zu Haftstrafen zwischen zwei und sieben Jahren verurteilt. Nach einem fast zweijährigen Prozess sprachen die Richter die etwa 19- bis 50-jährigen Männer, deren genaue Geburtsdaten teilweise nicht feststehen, des Angriffs auf den Seeverkehr und des erpresserischen Menschenraubs schuldig.
Die Angeklagten hatten im Frühjahr 2010 den unter deutscher Flagge fahrenden Frachter "Taipan" vor der Küste ihres Heimatlandes überfallen. Sie waren dabei von niederländischen Marinesoldaten gestellt und an Deutschland ausgeliefert worden. Es war der erste Piratenprozess in Deutschland seit Jahrhunderten.
"Seien Sie gerecht"
Mit seinem Urteil blieb das Gericht zum Teil deutlich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die Haftstrafen zwischen vier und zwölf Jahren gefordert hatte. Die Verteidiger hatten in ihren Plädoyers die Einstellung des Verfahrens, Freisprüche oder deutlich niedrigere Strafen verlangt.
In ihren letzten Worten an das Gericht baten einige Angeklagte um Milde und erinnerten an die katastrophale humanitäre Lage in Somalia, in dem seit Jahrzehnten Bürgerkrieg, Hunger und Anarchie herrschen. "Mein Heimatland ist zusammengebrochen. Ich bitte den Herrn Vorsitzenden: Seien Sie gerecht", sagte einer von ihnen nach Übersetzung des Gerichtsdolmetschers.
Ein anderer sagte: . "Wenn hier alles vorbei ist, dann weiß ich einfach nicht weiter." Er mache sich große Sorgen um seine Kinder im zerrütteten Somalia. Einer der Angeklagten äußerte sich zudem dankbar dafür, dass er in Deutschland drei Mahlzeiten am Tag bekomme und ärztlich behandelt werde. "Das war für mich vorher unvorstellbar." Die meisten Angeklagten entschuldigten sich für ihre Beteiligung an dem Überfall und erklärten, sie wollten nie wieder Straftaten begehen.
Einer der drei jüngsten Beschuldigten - sie fallen unter das Jugendstrafrecht und sind bereits vor Monaten aus der U-Haft entlassen worden - betonte, er sei unendlich dankbar, dass er in Deutschland zur Schule gehen und lernen dürfe. "Es ist für mich wie ein Traum. In Somalia habe ich nie eine Chance gehabt", sagte der junge Mann.
Debatte über Sinn und Unsinn des Prozesses
Schon am vorletzten Prozesstag hatten die Anwälte erklärt, dass ein solches Verfahren nicht in Deutschland geführt werden sollte. "Wir maßen uns hier an, Recht zu sprechen nach unseren deutschen Vorstellungen über Menschen, deren Lebenssituation wir nicht mal annähernd nachvollziehen können", sagte Rainer Pohlen, Verteidiger des jüngsten Beschuldigten.
Die deutschen Reeder sehen das anders. "Piraterie ist ein Verbrechen, und Verbrecher gehören vor Gericht", sagte Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). Da das überfallene Schiff "Taipan" unter deutscher Flagge gefahren sei, habe der Prozess in Deutschland abgehalten werden müssen.
Mit dem Prozess übernehme das Landgericht "auch ein Stück internationale Verantwortung", sagte Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn noch vor der Urteilsverkündung. Schließlich habe Deutschland das Seerechtsübereinkommen unterzeichnet und sich darin verpflichtet, die Piraterie zu bekämpfen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa