Politik

Hardliner besetzen neue Schaltstelle Polens Regierung lässt Nato-Büro stürmen

Beamte des Verteidigungsministeriums drangen bei einer nächtlichen Aktion in das Nato-Kompetenzzentrum für Spionageabwehr in Warschau ein.

Beamte des Verteidigungsministeriums drangen bei einer nächtlichen Aktion in das Nato-Kompetenzzentrum für Spionageabwehr in Warschau ein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die nationalkonservative PiS-Partei regiert Polen seit gut einem Monat. Seitdem besetzt sie zahlreiche Spitzenposten mit ihr genehmen Leuten. Nun übernimmt sie auch die Kontrolle über ein von der Nato betreutes Spionageabwehrzentrum.

Die international unter heftiger Kritik stehende neue polnische Regierung hat ein von der Nato betreutes Spionageabwehrzentrum in Warschau stürmen lassen, um dort die Kontrolle zu übernehmen. Beamte des Verteidigungsministeriums und der Militärpolizei seien kurz nach Mitternacht in das polnisch-slowakische Zentrum eingedrungen, berichtete dessen Chef Krzysztof Dusza im Fernsehen. "Ich habe ihnen gesagt, dass ihre Anwesenheit hier illegal ist." Nach der Razzia habe er die Polizei aufgefordert, die Türen zu versiegeln. Die Slowakei und andere ausländische Partner seien über die nächtliche Aktion informiert worden.

Zehntausende Regierungsanhänger und - Gegner gingen am vergangenen Wochenende auf die Straßen.

Zehntausende Regierungsanhänger und - Gegner gingen am vergangenen Wochenende auf die Straßen.

(Foto: REUTERS)

Das polnische Verteidigungsministerium veröffentlichte eine knappe Mitteilung, wonach ein neuer Übergangschef für das Zentrum eingesetzt worden sei. Dabei handele es sich um Oberst Robert Bala. Außenminister Witold Waszczykowski sagte im Radio, dass die in dem Zentrum beschäftigten polnischen Beamten ihre Berechtigung verloren hätten, Zugang zu vertraulichen Dokumenten zu bekommen. "Sie sollen durch andere ersetzt werden, die solche Rechte haben."

Ex-Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak entschuldigte sich bei der Slowakei für den Vorfall. Er sprach von einem "absoluten Skandal" und einem "beispiellosen Vorgang in einem Nato-Mitgliedstaat". Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sagte, die Angelegenheit scheine in die Souveränität Polens zu fallen.

Die Einrichtung des Spionageabwehr-Zentrums wurde im Oktober von der Nato beschlossen. Vorerst wurde das Zentrum in Warschau eingerichtet, endgültig soll es dann in der südpolnischen Stadt Krakau angesiedelt werden. Derartige Zentren seien internationale Einrichtungen, die auch international finanziert und mit Personal ausgestattet würden, um "an der Seite der Allianz zu arbeiten", sagte ein Nato-Sprecher. Es seien aber "keine Nato-Einrichtungen".

"Bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen"

Die neue konservative Regierung in Polen, die seit November im Amt ist, hat bereits mit Versuchen für Empörung gesorgt, die Verfassungsrichter des Landes auszutauschen. Darüber hinaus soll die Direktoren-Wahl bei den öffentlich-rechtlichen Medien künftig stärker von der Warschauer Regierung beeinflusst werden.Unter anderem gegen solche Pläne protestierten am Zehntausende Menschen protestierten am vergangenen Wochenende in Polen. Allerdings gingen auch Zehntausende Regierungsanhänger auf die Straße.

Die Bundesregierung ist einem Bericht zufolge über die Politik der neuen polnischen Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)entsetzt. "Spiegel online" zitiert ein namentlich nicht genanntes Kabinettsmitglied mit den Worten: "Was sich derzeit in Warschau abspielt, bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen." Der Versuch, Einfluss auf Justiz und Presse zu nehmen, erinnere an den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Für Verwunderung sorgt in Berlin demnach auch die Tatsache, dass Ministerpräsidentin Beata Szydlo trotz Einladung noch keinen Termin für ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeschlagen habe. Das sei ein "höchst ungewöhnliches Vorgehen". Eine offizielle Reaktion gibt es allerdings nicht.

Ex-Präsident Walesa warnt vor Bürgerkrieg

Scharfe Kritik kommt auch von dem früheren polnischen Präsidenten Lech Walesa. Er hat vor einem "Bürgerkrieg" im Land gewarnt. Gewiss "müssen Dinge geändert werden. Sie (die konservative Regierungspartei PiS) haben in vielen Punkten Recht. Aber nicht auf diese Weise", sagte Walesa in einem Fernsehinterview am Donnerstagabend mit Blick auf den Streit um die Neubesetzung und die Reform des Verfassungsgerichts. Reformen müssten "auf offene und demokratische Weise" erfolgen und nicht "auf brutale Art".

Wenn sich die Regierung nicht ändere, werde dies "zu einem Bürgerkrieg führen", warnte der einstige Anführer der Gewerkschaft Solidarnosc. Er versprach, sich bei dem PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski für eine Kursänderung einzusetzen. "Ich werde versuchen, diese Leute zu überzeugen. Es sind meine alten Kollegen, ich werde mich nicht gegen sie stellen", sagte Walesa. Er hatte als Präsident 1990 Kaczynski und dessen 2010 beim Absturz der Präsidentenmaschine verunglückten Zwillingsbruder Lech zu seinen Beratern berufen, sich später aber mit ihnen zerstritten.

"Ich fange an, mich für diese demokratische Entscheidung zu schämen", sagte der ehemalige Präsident mit Blick auf die Parlamentswahl vom 25. Oktober, die der PiS eine Mehrheit beschert hatte, sowie die Präsidentenwahl vom 24. Mai, die der PiS-Kandidat Andrzej Duda gewonnen hatte.

Quelle: ntv.de, hul/AFP/dpa

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