Politik

Brauch mit antisemitischen Zügen Polnische Kleinstadt begeht "Judasgericht"

Das Gemälde von Giotto di Bondone zeigt den sogenannten Judaskuss, mit dem laut Bibel der Jünger Jesus an die Römer verriet.

Das Gemälde von Giotto di Bondone zeigt den sogenannten Judaskuss, mit dem laut Bibel der Jünger Jesus an die Römer verriet.

In vielen Ländern gibt es zu Ostern bestimmte Bräuche, die begangen werden. In einer polnischen Kleinstadt lebt nun ein Brauch wieder auf, der stark antisemitische Züge trägt und deshalb eigentlich von der Kirche untersagt wird.

Ein in der südostpolnischen Kleinstadt Pruchnik begangener "Karfreitagsbrauch" mit unverhohlen antisemitischen Zügen hat in polnischen und israelischen Medien für Aufsehen gesorgt. Über mehrere Internetportale verbreitete Videoaufnahmen der Veranstaltung zeigen, wie eine mit den Worten "Judas 2019" und "Verräter" beschriftete Strohpuppe in einem rituellen "Judasgericht" zunächst auf einem Beleuchtungsmasten aufgehängt und anschließend nach einem vorgegebenen Zeremoniell weiter geschmäht wird.

Das Aussehen der Figur entspricht mit krummer Nase, orthodoxer Kopfbedeckung und Haartracht der klischeehaften Judendarstellung, die auch in nationalsozialistischer Zeit von Antisemiten verwendet wurde. Unter dem anfeuernden Johlen zahlreicher Schaulustiger wird diese auf dem Boden liegende "Judas"-Puppe durch Straßen gezerrt, von Erwachsenen und Kindern mit eigens vorbereiteten langen Stöcken geschlagen und schließlich geköpft, angezündet und brennend in einen Bach geworfen.

Nach Informationen der "Gazeta Wyborcza" und der Regionalzeitung "Ekspres Jaroslawski", die die Veranstaltung filmte, soll es sich bei dem "Judasgericht" um einen schon im 18. Jahrhundert verbreiteten Brauch handeln. Dabei werde Judas für seinen in der Bibel beschriebenen Verrat an Jesus "bestraft".

Wegen seiner aggressiv antisemitischen Ausrichtung habe die katholische Kirche den Brauch inzwischen untersagt, berichtete die Regionalzeitung. Ihr Reporter habe nicht herausfinden können, von wem die Initiative stammte, die Veranstaltung zehn Jahre nach der letzten Durchführung 2009 nun wieder aufleben zu lassen.

Auch andere Länder und Regionen, etwa in Europa oder Lateinamerika, kennen den Brauch des Judasverbrennens in der Karwoche, besonders am Karsamstag. In manchen Regionen wird er bis heute zelebriert. Im christlichen Mittelalter war er damit verbunden, kollektiv die Juden als Sündenbock für Jesus' Tod verantwortlich zu machen.

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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