Politik

Chaos als Dauerzustand "Putin will die Ostukraine instabil halten"

Vor seinem Flug zur Krim nahm Putin eine Militärparade in Moskau ab.

Vor seinem Flug zur Krim nahm Putin eine Militärparade in Moskau ab.

(Foto: imago/ITAR-TASS)

Dem russischen Präsidenten gehe es vor allem um eines, sagt n-tv Korrespondent Dirk Emmerich: einen Nato-Beitritt der Ukraine zu verhindern. Eine Abspaltung des Ostens könnte dieses Ziel gefährden.

n-tv.de: Putin verbringt den 9. Mai, den Tag des Sieges der Roten Armee über Nazi-Deutschland, auf der Krim. Was will er damit ausdrücken?

Dirk Emmerich berichtet für n-tv aus der Ostukraine.

Dirk Emmerich berichtet für n-tv aus der Ostukraine.

Dirk Emmerich: Er macht damit deutlich, dass der Status der Krim als Bestandteil Russlands für ihn unumstößlich ist. Das war immer Putins Strategie in den vergangenen Wochen und Monaten: erst Tatsachen schaffen, dann zementieren.

Will Putin die Ostukraine ebenfalls annektieren?

Im Augenblick ist das sicher nicht Putins Ziel. Ihm reicht es völlig, für eine Destabilisierung der Ukraine zu sorgen. Er will die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai diskreditieren, möglicherweise verhindern. Dafür reicht es aus, die Ostukraine so instabil zu halten, wie sie derzeit ist.

Ist es vorstellbar, dass die Dinge sich so chaotisch entwickeln, dass Russland sich irgendwann gezwungen sieht, militärisch in der Ostukraine einzugreifen?

Ausschließen kann man das nicht. Putin hat schließlich schon 2008 damit gedroht, die Krim und den Osten der Ukraine zu annektieren, wenn das Land der Nato beitreten sollte. Das zeigt, dass er schon sehr lange mit einer solchen Option spielt. Putin wird es nicht zulassen, dass ein Staat, der früher zur Sowjetunion gehört hat, Nato-Mitglied wird. Er will nicht in die Geschichte eingehen als der Präsident, der die Ukraine preisgegeben hat.

Wenn Russland die Ostukraine annektieren würde, wäre die Restukraine allerdings früher oder später vermutlich ebenfalls Nato-Mitglied.

Das stimmt. Wenn es zu einer staatlichen Spaltung der Ukraine käme, wäre es für Kiew leichter, sich an den Westen zu binden. Das will Putin verhindern. Für ihn ist es daher am besten, wenn die Einheit der Ukraine gewahrt und das Land so instabil wie möglich bleibt.

Könnte es dann sein, dass die Separatisten sich verkalkuliert haben?

Das glaube ich nicht. Sie werden das Referendum am Wochenende durchziehen. Die prorussischen Kräfte sind vollständig von ihrem Vorgehen überzeugt: Sie wollen die Abspaltung von der Ukraine. Selbst wenn die Beteiligung am Referendum nicht für ein überzeugendes Ergebnis ausreichen sollte - ich bin sicher, man wird Zahlen präsentieren, die eine klare Mehrheit für die "Volksrepublik Donezk" und die "Volksrepublik Luhansk" belegen.

Mit anderen Worten?

Notfalls werden die Wahlen gefälscht.

Reicht den Separatisten die Abspaltung oder wollen sie am Ende doch zu Russland?

Die Mitglieder der sogenannten Regierung der "Volksrepublik Donezk", aber auch die Leute auf der Straße hier sagen, es gehe erst einmal darum, sich von Kiew zu lösen und einen unabhängigen Staat zu bilden. Die Perspektive eines Anschlusses an Russland gibt es natürlich. Aber es ist im Moment nicht das erste Ziel.

Könnte Putin das Referendum stoppen, wenn er dies wollte?

Ja. Es ist absolut unwahrscheinlich, dass es keinen Kontakt gibt zwischen Moskau und den prorussischen Kräften hier. Was vorgestern passiert ist, war doch nur ein Trick. Wenn Putin das Referendum wirklich stoppen wollte, dann hätte er nicht eine Pressekonferenz gewählt, sondern den direkten Kontakt. So war es eher ein Signal an den Westen: Schaut her, ich hab's versucht, aber sie hören nicht auf mich. Ich glaube, sein kurzfristiges Ziel ist es, die prorussischen Kräfte salonfähig zu machen. Er will, dass sie bei einer nächsten Verhandlungsrunde mit am Tisch sitzen.

Mit Dirk Emmerich sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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