Westen hat "ein bisschen Mitschuld" Ramelow: Positive Chance verpasst
30.09.2016, 10:09 Uhr
Ramelow plädiert dafür, auch den psychologischen Aspekt der Einheit nicht zu vernachlässigen.
(Foto: imago/Jacob Schröter)
Auch ein gutes Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung macht Thüringens Regierungschef Ramelow noch deutliche Unterschiede zwischen Ost und West aus. Zudem weist der Linke-Politiker auf verpasste Chancen hin.
Das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland ist nach Ansicht des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Angleichung. "Wir müssen uns auch um den psychologischen Prozess der deutschen Einheit kümmern", sagte der Linke-Politiker im "Morgenmagazin" des ZDF. Er gab dem Westen "ein bisschen Mitschuld" daran, dass im Osten nach der Wende der Eindruck entstanden sei, die dortigen Gepflogenheiten seien nichts wert.
So seien Besonderheiten des Schul- oder Gesundheitssystems nicht übernommen, sondern abgeschafft und die "positive Chance" verpasst worden, auch aus dem Osten etwas in das vereinte Deutschland einbringen zu können. "Das entwertet auf der Gefühlsebene", sagte Ramelow. Zudem gebe es auf beiden Seiten immer noch unterschiedliche Wertvorstellungen.
Auch den Grund für die fremdenfeindlichen Ausfälle in ostdeutschen Bundesländern sieht Ramelow nicht allein in wirtschaftlicher Ungleichheit. "Wir haben es mit Hetze und Hetzern zu tun", sagte der Linken-Politiker. Offenkundig gelinge es, Menschen zu mobilisieren, gegen das System zu kämpfen. Der Grund dafür sei auch Fremdenfeindlichkeit. Es könne aber nicht funktionieren, mit Dienstleistungen und Produkten auf den Weltmärkten erfolgreich sein zu wollen, und zugleich das eigene Land abzuschotten, mahnte der Ministerpräsident.
Auch die Bundesregierung hatte in ihrem jüngsten Bericht zum Stand der deutschen Einheit eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland als "ernste Bedrohung" für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern bezeichnet. Mehrere ostdeutsche Ministerpräsidenten kritisierten die Darstellung und betonten, Fremdenfeindlichkeit sei nicht allein ein Problem der neuen Bundesländer.
Die Bundesbeauftragte für die neuen Länder, Iris Gleicke, stellt den Bericht am Freitag im Bundestag vor.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa